Wachstum - zwischen Effizienz, Konsistenz und Suffizienz

Vortragsreihe im Wintersemester 2015/16

Die nunmehr 8. Veranstaltungsreihe von Weiterdenken, dem Staatsschauspiel Dresden und der TU Dresden fand vom 21. Oktober 2015 bis zum 3. Februar 2016 im Kleinen Haus in Dresden statt.

Im Jahr 1972 veröffentlichte eine Ideenwerkstadt einen folgenreichen Bericht, der bis in die Gegenwart nichts an Aktualität verloren zu haben scheint. „Die Grenzen des Wachstums“ – so der bekannte Name des Berichts, veröffentlicht vom nicht weniger bekannten Club of Rome, prägt bis heute Debatten um die Zukunft des weltweiten Wirtschaftens. Zwar haben sich die prognostizierten Grenzwerte des Berichts im Nachhinein verschoben und eine Überarbeitung der Voraussagen scheint angemessen. Doch gab er Anstoß für eine anhaltende Diskussion darüber, was gutes Wirtschaften ausmacht und wie dieses zu erreichen ist. 35 Jahre nach der Veröffentlichung heizten die Finanzkrise und deren desaströse Folgen für einen großen Teil der europäischen – gar weltweiten – Gesellschaft die Kritik an einem wirtschaftlichen Paradigma erneut an, dessen Grundlage allein auf ökonomischem Wachstum beruht.

Die gedanklichen Strömungen der Wachstumskritik sind dabei so vielschichtig wie die inhaltliche Akzentuierung der Themen. Konservative Positionen, nach deren Interpretation Wachstum und staatliche Wohlfahrtsleistungen ihre Kapazitäten überschritten hätten, setzen auf eigenverantwortliches Engagement im Zusammenspiel mit einer Reduzierung sozialstaatlicher Aufwendungen. Vertreter_innen eines grünen Wachstums sehen die wirtschaftliche Zukunft in einem Ausbau ökologiefreundlicher Technologien sowie einer qualitativen Transformation moderner Sozialsysteme. Kapitalismuskritische Standpunkte wenden sich gänzlich der Vorstellung vom vorhandenen wirtschaftlichen System ab und argumentieren für eine umfassende, globale Änderung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Institutionen zugunsten ökologischer Gerechtigkeit.

Das thematische Spektrum scheint dabei ebenso komplex: Es eröffnen sich Fragen der ökologischen Dimension, innerhalb derer die natürlichen Ressourcen unwiderruflich ausgebeutet werden, der kontinuierlich steigenden Energiekonsumption und deren Auswirkung auf klimatische Entwicklung sowie der politischen Institutionen, die zunehmend außer Stande scheinen, Wohlstand in Zeiten ausbleibenden Wachstums gerecht zu verteilen und sich offenbar unfähig sehen, wachsende soziale Ungleichheiten einzudämmen – in regionaler wie in globaler Hinsicht.

Die Veranstaltungsreihe fand in Kooperation mit der Professur für Volkswirtschaftslehre, insb. Managerial Economics, dem Lehrstuhl für betriebliche Umweltökonomie, der Professur für Didaktik der politischen Bildung der TU Dresden sowie dem Staatsschauspiel Dresden statt.

Debatte

Mit der Vortragsreihe ist die Debatte nicht erschöpft. Es gibt viele Aspekte, die wir nicht vertiefen können und viele spannende Beiträge und Projekte. Deshalb bieten wir hier Hinweise für weitergehnde Informationen udn Diskussionen an.

Die Degrowth-Mediathek bietet Ihnen Zugang zu diversen Medien zum Thema Degrowth bzw. Postwachstum. Hier findet ihr bereits mehr als 600 Videos, Texte, Audiodateien und Bilder zum Thema Degrowth. Es gibt verschiedene Suchfunktionen und eine umfangreiche Themenliste, nach der ihr die Mediathek durchsuchen könnt.

Das Kolleg Postwachstumsgesellschaften, untergebracht am Institut für Soziologie an der Universität Jena, beschäftigt sich vor allem mit sozialen Dynamiken Prozessen der Umstrukturierung moderner Wachstumsgesellschaften.

Die Green Growth Knowledge Platform (GGKP) ist eine global agierende Ideenwerkstadt, die wissenschaftliche Strömungen um grünes Wachstum in verschiedensten Bereichen wie Agrarwirtschaft, Biodiversität und Energie aber auch Finanzen, Tourismus und Transport zusammenführt. Die GGKP geht auf eine Initiative des Global Green Growth Institute (GGGI), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sowie der Weltbank zurück. Es stellt ein umfangreiches Quellenmaterial und aktuelle Forschungen zu den verschiedensten Facetten grünen Wachstums zur Verfügung.

Nachdem im Oktober 2015 ein vorläufiges Vertriebsverbot des Sammelbands „Ökonomie und Gesellschaft“ der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) bekannt wurde, ist dieser nun wieder zugänglich. Die Entscheidung des Innenministeriums, die auf Druck der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zu Stande kam, führte zu teils heftigen Protesten – etwa seitens bei der deutschen Gesellschaft für Soziologie. Der Band verdeutlicht an ausgewählten Beispielen das Wechselverhältnis von Ökonomie und Gesellschaft und berücksichtigt hierbei offensichtlich auch alternative ökonomische Paradigmen zum derzeit in Wirtschaft und Politik dominierenden Handlungsmodell des homo oeconomicus.

In den Vorträgen wird in Hinblick auf Lebensqualität, Soziale Ungleichheit und Wohlstand häufig auf die Berichte der von der französischen Regierung beauftragen Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission sowie der von der vom Bundestag einberufenen Enquete-Kommission "Wohlstand, Wachstum, Lebensqualität" Bezug genommen, da diese öffentliche Dokumente staatlicher Institutionen darstellen und sich somit in ihrer Verbindlichkeit von Studien und Urteilen privater und zivilgesellschaftlicher Akteure grundlegend unterscheiden.

Darüber hinaus verweist die Oxfam-Studie auf die dramatisch zunehmende Ungleichverteilung von Wohlstand im globalen Maßstab und deren Begünstigungen durch Steuersysteme und sogenannte Steueroasen.

Wirtschaft & Soziales

Unsere Marktwirtschaft muss ökologisch und sozial neu begründet werden. Der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft wird durch wachsende wirtschaftliche Ungleichheiten, kaum reglementierte Finanzmärkte und unfair verteilten sozialen Chancen in Frage gestellt. Neue Lösungen für die Verknüpfung von Eigenverantwortung und Solidarität, Bildung und ökonomischer Innovation, staatlichen Garantien und bürgerlichem Engagement, privatem Wohlstand und öffentlichen Gütern sind gefordert. Der Reformbedarf ist auch auf kommunaler Ebene überdeutlich – in unserer Arbeit stellen wir unterschiedliche Ideen und langfristige Strategien für gerechte Wirtschafts- und Sozialpolitiken zur Debatte.