Mit knapp 9.000 Flüssen und insgesamt rund 137.000 Flusskilometern ist Deutschland ein Land voller blauer Lebensadern.

Flüsse sind selbst Lebensraum. Sie formen zugleich eine besondere Vielfalt von Lebensräumen entlang ihrer Ufer. Auen sind die wohl bekanntesten unter ihnen. Aber auch die immer rarer werdenden natürlichen Sand- und Kiesbänke, Abbruchufer, Inseln, Hartholzauwälder, Trockenwiesen und Dünen sowie Altwasser zählen dazu. In und an einem natürlichen Fluss finden außergewöhnlich viele Tiere und Pflanzen für sie geeignete Lebensbedingungen vor - auch seltene und bedrohte Arten

All die Mikroorganismen, Pflanzen, Algen und Tiere filtern Nähr- und Schadstoffe aus dem Wasser und tragen erheblich zur Verbesserung der Wasserqualität bei.

Naturnahe Flüsse sind attraktiv und ziehen Menschen an.

Doch die wenigsten unserer Flüsse sind in guter Verfassung: Nur 8 Prozent aller Flüsse und Bäche sind aktuell in einem „guten“ bzw. „sehr guten“ ökologischen Zustand bzw. haben ein "gutes ökologisches Potenzial", wie es bei erheblich veränderten bzw. künstlichen Fließgewässern heißt (1). 52 Prozent aller Flüsse gelten als „erheblich verändert“.

Bis 2027 sollen alle Flüsse mindestens einen guten ökologischen Zustand erreicht haben.

Vom Fließen zum Stehen - unsere Flüsse und Auen sind verbaut

Flüsse und ihre Feuchtgebiete gehören zu den am stärksten veränderten Lebensräumen. Sie sind begradigt, kanalisiert, gestaut und können dadurch nicht mehr frei fließen.
Im Schnitt wird in Deutschland ein Fluss alle zwei Kilometer durch eine Barriere gestoppt. Ungefähr 215.000 Querbauwerke in Deutschland behindern den natürlichen Weg unserer Flüsse (2)

Stauanlagen in Flüssen - etwa für die Wasserkraft oder die Schifffahrt - und Eindeichungen haben fatale Folgen für die Flusslandschaft und die biologische Vielfalt:

  • Fische können nicht mehr wandern, wenn Querbauwerke ihren Weg versperren. Besonders betroffen sind Fische, die zwischen Süß- und Salzwasser wechseln, wie Aal, Lachs, Meerforelle und Flussneunaugen. An 33 Prozent aller Fließgewässer in Deutschland stehen Wasserkraftanlagen (3). Die dafür benötigten Wehre behindern den Weg von Fischen etwa zu wichtigen Laich- oder Nahrungsgebieten.
  • Wenn Wasser steht und nicht mehr fließt, erwärmt sich das Wasser - eine ideale Voraussetzung für Algenblüten! Kommen jetzt noch Niedrigwasser und eine Belastung mit Nährstoffen hinzu, können sich Algen explosionsartig vermehren und die Wasserqualität erheblich verschlechtern (4).
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  • Verbaute Ufer verhindern Vegetation im Uferbereich, die nicht nur Lebensraum für Tiere ist, sondern auch für die Reinigung des Flusses einen wichtigen Beitrag leistet.
  • Querbauwerke können dazu führen, dass sich Flüsse hinter der Stauanlage tiefer in ihr Bett eingraben, weil grobes Sediment zurückgehalten wird. Gräbt sich der Fluss tiefer ein, fehlt das Wasser an den Ufern, z.B. in Auen. Vielfältige Lebensräume verschwinden.
  • Begradigte und kanalisierte Flüsse fließen schneller, sie graben sich immer tiefer in ihr eigenes Bett. Die Aue wird nicht mehr mit Wasser versorgt und fällt trocken.
  • In von Gezeiten geprägten Flussbereichen (Tideflüsse) werden Sedimente abgelagert, die sich aufgrund umfassender Eindeichungen nicht mehr natürlich im Uferbereich ablagern können. Schlick muss immer wieder aus der Fahrrinne gebaggert werden und setzt Flächen mit flachem Wasser - wichtige Brut- und Laichgebiete - entlang des Ufers zu.
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Naturnahe Flüsse sind in der Klimakrise widerstandsfähiger. Und auch wir Menschen profitieren: Intakte Auen sind ein hervorragender natürlicher Hochwasser- und Dürreschutz.

Vom Abwasserkanal zum Badegewässer

Flüsse als Abwasserkanal – in der Vergangenheit ganz normal! Flüsse waren mit giftigen Schadstoffen belastet und stanken. Auch wenn die meisten Flüsse heute sauberer sind und immer mehr Menschen zum Baden, Paddeln oder Kanufahren locken, haben sie mit verschiedenen Belastungen durch Schad- und Nährstoffe zu kämpfen. Bislang hat kein Fluss einen guten chemischen Zustand erreicht (5). Der chemische Zustand wird anhand der Konzentration von Schadstoffen ermittelt.

Es gibt mehrere Faktoren, die zu Stresssituationen in Flüssen, Bächen und Auen führen. Dürre und Starkregen in Folge der Klimakrise verstärken diese. In Dürrezeiten verteilen sich Schad- und Nährstoffe in weniger Wasser: Die Konzentration steigt und damit auch die Auswirkungen auf das Gewässer und hier angesiedelte Lebewesen. Starkregen spült vermehrt Schad- und Nährstoffe in Flüsse und Bäche.

  • Stickstoffverbindungen, in der Regel Nitrat, belasten Bäche und Flüsse erheblich. Sie stammen meist aus der Landwirtschaft: Wird mehr gedüngt, als die Pflanzen auf dem Feld benötigen, führt das zu einem Stickstoffüberschuss: In Deutschland liegt dieser aktuell bei mehr als 80 kg pro Hektar im Jahr (6). Neben mineralischem Dünger spielt in Regionen mit Massentierhaltung auch der Überschuss an Gülle eine Rolle. Über abließendes Wasser gelangt der Stickstoff in Bäche und Flüsse.
    Weitere Stickstoffeinträge lassen sich auf kommunale Kläranlagen, Kraftwerke, Verkehr und Industriebetriebe zurückführen (7).
    Eine deutliche Belastung mit Stickstoff weisen knapp 80 Prozent der Messstellen in deutschen Flüssen und Bächen nach (8).
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    Bei der Oder-Katastrophe im Jahr 2022 kamen Nährstoffbelastung, Niedrigwasser, Hitze und ein massiver Salzeintrag zusammen: optimale Voraussetzungen für die Gift produzierende Alge Prymnesium parvum. Es kam zu einer extremen Schädigung des Flusses. Tonnenweise tote Fische schwammen im Wasser bzw. lagen am Ufer.
  • "Ewige Chemikalien" wie PFC bzw. PFAS (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen), wie sie etwa in Sport-, insbesondere Outdoor-Bekleidung, aber auch in wasserabweisenden Essensverpackungen vorkommen, belasten zunehmend unser Wasser. Es wird davon ausgegangen, dass diese Chemikalien über 1.000 Jahre in der Umwelt verbleiben! Einige gelten als krebserregend bzw. wirken stark auf die Fortpflanzung ein und sind deshalb bereits verboten bzw. deren Einsatz ist streng geregelt (9). Hohe PFC-Konzentrationen wurden in der Elbe, aber auch in Rhein und Schelde festgestellt (10).
  • Allein in Deutschland sind über 400 Wirkstoffe aus Arzneimitteln in Gewässern nachgewiesen worden (11). Als biologisch hochaktive Stoffe wirken sie auch bei anderen Organismen und bringen erhebliche Probleme mit sich. So schädigt das Schmerzmittel Diclofenac etwa Leber und Niere bei Fischen. Antibiotika können das Wachstum von Algen und Pflanzen hemmen (12).
  • Mikroplastik ensteht vor allem durch Reifenabrieb, den der nächste Regen in die Gewässer spült. Es ist aber auch in Kosmetika, Hygieneartikeln und Textilien versteckt und gelangt meist über das Abwasser in Flüsse und Seen. Bei ihrer Zersetzung können Kunststoffe giftige und hormonell wirksame Zusatzstoffe wie etwa Weichmacher abgeben, die Organismen in Flüssen und Bächen schädigen können (13).
  • Metalle wie Quecksilber, Blei, Nickel, Arsen und Cadmium finden sich nach wie vor in unseren Flüssen. Teils befinden sie sich noch in Sedimenten der Flüsse, wie etwa Quecksilber in der Elbe. Teils gelangen sie aus Bergbaugebieten ins Wasser. Einträge aus Kraftwerken und Industriebetrieben werden seltener.

Flüsse sind Belastungen unterschiedlich ausgesetzt. Welche Zuflüsse bringen welche Stoffe mit? Wie rasch fließt Wasser ab? Welche Einflüsse aus Industrie und Bergbau sowie der Landwirtschaft bestehen? Wie arbeiten die Kläranlagen entlang des Flusses? Eins ist jedoch sicher: Die Fracht unserer Flüsse wird irgendwann in den Meeren landen. Die Zukunft der Meere liegt in unserer Hand!

Mit der Aktion „Flussbadetage“ fordern Menschen weltweit lebendige und saubere Gewässer. An der Elbe wurde im Sommer 2002 der Anfang gemacht. Inzwischen wird vielerorts wieder gemeinsam gebadet.

Mehr erfahren über die Wasserrahmenrichtlinie

Alle Flüsse, Seen, Küstengewässer und das Grundwasser müssen bis 2027 in einen "guten Zustand" gebracht werden. Das sieht die Wasserrahmenrichtlinie vor. Davon sind wir weit entfernt. Die Klimakrise verstärkt die Probleme.

Gewässerzustandsbericht 2021

Ein Blick auf den Zustand aller Gewässer in Deutschland des Umweltbundesamts.

Politik muss handeln

  • Naturnahe Flüsse und Auen wiederherstellen.
  • Flüsse sollen wieder fließen: Barrieren und kleine Wasserkraftanlagen rückbauen.
  • Wasserwirtschaftliche und verkehrsbauliche sowie Maßnahmen des Hochwasserschutzes an aktuelle Herausforderungen durch die Klimakrise, den teils rapiden Rückgang der Artenvielfalt, aber auch der demografischen Entwicklung (Stichwort: steigender Medikamentenverbrauch) sowie der knapper werdenden Ressource Wasser anpassen.
  • Belastungen der Flüsse durch Schad- und Nährstoffe reduzieren.

Was ich tun kann

  • Mache mit bei FLOW! Das Forschungsprojekt sammelt mithilfe von Freiwilligen Wissen über Fließgewässer.
  • Engagiere dich für die Flüsse Elbe und Saale beim jährlichen Elbe-Saale-Camp.
  • Organisiere doch mal bei Dir vor Ort einen Flussbadetag!

 

Themensammlung: Wasserkrise in Deutschland

In unserer umfangreichen Themensammlung zum Thema Wasser finden sich weitere und vertiefende Informationen.
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