Die extrem rechte Szene in Zwickau

Situationsanalyse

Die folgende Analyse von Johannes Grunert bietet einen Überblick über die jüngere Geschichte und Gegenwart extrem rechter Grup­pen in Zwickau. Sie stellt Dynamiken und lokale Besonderheiten heraus und bie­tet dadurch Ansätze, das Handeln und die Strategien ext­rem rechter Akteure zu verstehen, und daraus Strategien im Umgang mit ihnen zu entwickeln.

Schild auf einer Demo mit der Aufschrift "der NSU war nicht zu dritt"

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Die extreme Rechte in Zwickau ist offensiv, gewaltbereit und fühlt sich sicher in ihrem Tun. Seit Jahren terrorisie­ren unterschiedliche extrem rechte Gruppen marginalisierte und engagierte Personen in Zwickau. Unterdessen gedeiht eine extrem rechte Erlebniswelt und die AfD wurde zur mit Abstand stärksten politischen Kraft. Die­ses Policy Paper bietet einen Überblick über die Struktu­ren und Netzwerke vor Ort und damit Ansatzpunkte für die demokratische Zivilgesellschaft sowie politische Entscheidungstragende.

Die heutigen Protagonisten der extremen Rechten in Zwickau lassen sich oftmals auf die gleichen Gruppen zurückführen, die Anfang der 2000er Jahre die Stadt als Experimentierfeld für extrem rechte Agitation  entdeckten.  Nicht wenigen  davon lassen sich Kontakte zum Unterstützungsumfeld des „Nationalsozialistischen  Untergrunds“ (NSU) nachweisen. Die Perspektive von zivilgesellschaftlich Engagierten und Betroffenen rechter Gewalt liefert einen Einblick in den von Bedrohungen und Angriffen geprägten Alltag und bietet ihrer Kritik und ihren Lösungsansätzen einen Raum.

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Zusammenfassung

Nicht nur der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) hat den Blick der Öffentlichkeit  auf die Stadt Zwickau geprägt, sondern nicht zuletzt auch die wiederkehrenden Nachrichten über Angriffe und Bedrohungen, extrem rechte Propaganda und teils zögerliche Reaktionen dar­auf. Zwickau bietet die Bedingungen, in denen sich ext­rem rechte, teils neonazistische Gruppen ausbreiten können und mit ihrer Propaganda auf Resonanz stoßen. Die unterschiedlich geprägten extrem rechten Gruppen gehen in Zwickau besonders offensiv gegen politisch Andersdenkende vor, was sich in regelmäßigen Drohun­gen, Schmähungen und körperlichen Angriffen äußert. Dabei stechen die Partei Der Dritte Weg, die einzige nen­nenswerte neonazistische Partei in der Stadt, die Gruppe Junge Revolution als Radikalisierungspunkt für Jugend­liche und die Gruppe um den ehemaligen Youtube­Kanal „Kara  Ben  Nemsi  TV“  als  besonders aggressiv heraus. Die  Leidtragenden sind BIPoC, Linke, antifaschistisch Engagierte, Personen aus der Klimabewegung, Mitglieder demokratischer Parteien und andere, die nicht in das rechte Weltbild passen. Sie werden regelmäßig angegriffen, wodurch sich die Zwickauer Innenstadt für viele von ihnen zu einem Angstraum entwickelt hat.

Die verschiedenen Gruppen, die im rechten Spektrum von Corona­-Leugnenden bis hin zum Unterstützen­den-Umfeld des NSU reichen, bieten darüber hinaus durch Demonstrationen, Konzerte, Vortragsveranstaltungen, Kampfsport und Fußball eine ganze Bandbreite der ext­rem rechten Erlebniswelt. Aus der Analyse der Taktiken der extrem rechten Akteure und Gesprächen mit Betrof­fenen ließen sich schließlich folgende Handlungsbedarfe identifizieren:

  • Neonazistische und andere extrem rechte Täter müs­sen mit Mitteln der Strafverfolgung mit aller Konsequenz belangt werden, um deren Motivation zu bre­chen  und  einen  Angstraum  für  Betroffene  in  der  Zukunft nicht wieder entstehen zu lassen.
  • Mit  Betroffenen  der  Gewalt muss offen Solidarität gezeigt werden. Hierzu gehört  eine  klare Abgrenzung zu extrem rechten Akteuren.
  • Eine  proaktive  Rolle  bei  der  Aufarbeitung  der  Geschichte  des  NSU  und  die  Positionierung für ein NSU­-Dokumentationszentrum hilft nicht nur der Aufklärung, sondern kann dazu führen, dass positive Signale aus Zwickau bundesweit  wahrgenommen werden.
  • Ein kontinuierliches Monitoring extrem rechter Aktivitäten ist notwendig, um extrem rechte Netz­werke zu identifizieren und zu analysieren und somit Ansatzpunkte für die demokratische Arbeit zu lie­fern und das Entstehen neuer  rechtsterroristischer Bestrebungen zu verhindern.

zerbrochenes orangenes Glas

"Rechte Gewalt und Drohungen sind immer noch alltäglich"

Am 4.11.2021 ist es zehn Jahre her, dass sich die neonazistische Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) selbst enttarnte. Die Gruppe hatte über elf Jahre in Zwickau gelebt und von dort aus ihre Taten begangen. Das Gespräch mit drei jungen Bürger:innen der Stadt zeigt, dass die rechte Szene auch heute noch offen agitiert, Menschen bedroht und Gewalt ausübt. ZUM INTERVIEW


EINLEITUNG

Die extrem rechte Szene Zwickaus ist nach der Selbst­enttarnung des Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) im November 2011 ins internationale Schlaglicht geraten. Doch der NSU wird häufig losgelöst von den Bedingungen  betrachtet,  die  die  Morde  und  Anschläge der neonazistischen Terrorgruppe erst möglich gemacht haben. Das Kerntrio des NSU hatte nicht nur seine Hel­ferinnen und Helfer in der Stadt und darüber hinaus, son­dern  seine Taten waren  erst  aus  einem  Umfeld  heraus möglich, in dem das Wegschauen und sogar das Billigen extrem rechter Einstellungen zur Normalität gehörte. Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und  Uwe Mundlos wählten Zwickau bewusst als Unterschlupf aus. Auch vor den Taten des NSU gab es in der Stadt eine aktive extrem rechte Szene. Nach dem Auffliegen des NSU wurde  es etwas leiser um sie, aber spätestens seit der rassistischen Protestwelle im Jahr 2015 ist die extreme Rechte Zwickaus  wieder  äußerst  aktiv.  Dies  lässt  sich  nicht nur  an  einem  leise  voranschreitenden  Strukturaufbau von  Parteien,  Kameradschaften,  rassistischen  und  ver­schwörungsideologischen Gruppen beobachten, sondern schlägt sich in einer unmittelbaren Bedrohungslage für marginalisierte  Gruppen  sowie  antirassistisch  und  anti­faschistisch engagierte Menschen in der Stadt nieder.

Die folgende Analyse bietet einen Überblick über die jüngere Geschichte und Gegenwart extrem rechter Grup­pen in der Stadt. Mit „extrem rechts“ sind in dieser Ana­lyse alle Gruppen und Personen gemeint, die antidemo­kratische, autoritäre und völkische Ansichten vertreten und  diese  durch  ihr  Handeln  auf  die  Straße  und  in  die Parlamente  tragen  (zu  einer  eingehenden  Begriffsklä­rung  siehe  Grunert/Kiess  2021).  Die  Analyse  stellt  die  Dynamiken und lokalen Besonderheiten heraus und bie­tet dadurch Ansätze, das Handeln und die Strategien ext­rem rechter Akteure zu verstehen und daraus Strategien im Umgang mit ihnen zu entwickeln.

ZWICKAUS EXTREME RECHTE

ZWICKAU ALS LEBENSMITTELPUNKT DES NSU

Die Geschichte des NSU ist äußerst umfangreich und soll hier  nur  in  Kürze  und bezogen  auf  die  Stadt  Zwickau beschrieben  werden.  Die  Stadt  Zwickau  war  Lebensmittelpunkt der neonazistischen Terrorgruppe: Von hier aus beging  sie  ihre  zehn  Morde,  außerdem  zwei  Spreng­stoffanschläge  und  zwölf  Raubüberfälle,  drei  davon  in Zwickau selbst.1 Im Juli 2000 zogen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos von Chemnitz nach Zwickau (Aust/Laabs 2014). Sie lebten bereits seit Januar 1998 im Untergrund und hatten von Chemnitz aus drei Raubüber­fälle und einen Sprengstoffanschlag begangen. Bereits im September  2000,  drei  Monate  nach  ihrer  Ankunft  in Zwickau, beging das Trio seinen ersten Mord an dem tür­keistämmigen Blumenhändler Enver Şimşek in Nürnberg.

Sein  Leben  finanzierte  das  Trio  mindestens  in  Teilen durch Raubüberfälle auf Banken und Postfilialen. Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos lebten von 2000 bis 2001 in der Heisenbergstr. 6, von 2001 bis 2008 in der Polenzstraße 2 und ab 2008 in der Frühlingsstraße 26. Die Wohnungen wurden von Unterstützern für sie angemietet.

Während  sich  Zschäpe,  Böhnhardt  und  Mundlos  in Chemnitz  verhältnismäßig  offen  in  der  rechten  Szene bewegten, setzten sie in Zwickau auf einen kleinen, mutmaßlich eingeschworenen und teils überregionalen Hel­ferkreis. Weitere Kontakte unterhielten sie vor allem zu ihrer  Hausgemeinschaft,  die  besonders  Beate  Zschäpe auch im Rückblick positiv wahrnahm. Der heute 42­jäh­rige Neonazi André Eminger kann unbestritten als eng­ster und damit auch am besten informierter Kontakt der drei  im  Zwickauer  Untergrund  bezeichnet  werden.  Zu­sammen mit seiner Frau Susann hielt er insbesondere zu Zschäpe regelmäßigen Kontakt und unterstützte die drei durch Anmietungen von Wohnungen und Wohnmobilen, durch  das  Zurverfügungstellen  von  Dokumenten  und  Legenden.  Susann  Eminger  war  Beate  Zschäpes  beste Freundin, Zschäpe ging gern mit ihr und den Kindern der Emingers  einkaufen.2  Weiteren  Personen  aus  Zwickau  konnten im NSU­Prozess keine Unterstützungshandlun­gen nachgewiesen werden, auch wenn derartige Vermu­tungen naheliegen, wie z.B. im Fall des ehemaligen Betreibers des „Last Resort Shop“ (heute Eastwear Depart­ment),  Ralf  Marschner  (siehe  zum  „Eastwear  Department“ auch unten den Abschnitt „Neonazi­-Trefforte in Zwickau“).

Ein besonderes Licht auf das Zwickauer Umfeld des Trios  werfen  einige  Reaktionen  aus  dessen  Wohnum­gebung,  insbesondere  in  der  Polenzstraße  im  Stadtteil  Marienthal.  Eine  Nachbarin  sagte  2015  beim  NSU­-Pro­zess in München aus. Auch nachdem die Taten des NSU bereits  lange  bekannt  waren,  schien  für  sie  klar,  dass  Zschäpe mit den Verbrechen nichts zu tun gehabt habe. Die Zeugin nannte Zschäpe weiterhin Lisa, was einer von Zschäpes Decknamen war. Generell schien niemand aus der Wohnumgebung etwas von den Machenschaften des Trios zu ahnen, obwohl Zschäpe der Hausgemeinschaft den Zugang zur Wohnung grundsätzlich verwehrte und ihnen auch nicht ihre Handynummer weitergeben wollte, wenngleich dies im Haus so üblich gewesen sei.3 Als ein Journalist 2013 das Haus an der Polenzstraße fotografie­ren  wollte,  wurde  er  nach  eigenen  Angaben  von  einer  Nachbarin mit dem Tode bedroht. Nachbarinnen sagten, Zschäpe sei ihre Freundin gewesen und sei das auch wei­terhin  (Aust/Laabs  2014).  In  der  Frühlingsstraße,  der  letzten  Wohnung  des  NSU,  kannte  man  Zschäpe  als  „Dienelt­Maus“. Sie habe des Öfteren mit Personen aus ihrem Haus im Keller gesessen und etwas getrunken. Auf einem alten Fernseher habe dort ein Bild Adolf Hitlers gestanden  –  ein  persönliches  Relikt  des  Nachbarn,  der  Zschäpe als „lieb und gut“ beschrieben hatte.4 Niemand habe sich daran gestört. Nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 gab es 2016 und 2019 Sachbeschädigungen an zum Gedenken an die Opfer des NSU aufgestellten Bän­ken und einem frisch gepflanzten Gedenkbaum in Zwickau.5  Infolgedessen,  dass  der  Gedenkbaum  von Unbekannten nachts abgesägt wurde, wurden schließlich insgesamt zehn Bäume in Gedenken an die zehn Opfer des NSU gepflanzt.6

DIE „NATIONALEN SOZIALISTEN ZWICKAU“ ALS RADIKALISIERUNGSPUNKT SPÄTERER RECHTER AKTEURE

Im Jahr 2007 orientierte sich die rechte Szene Sachsens neu. Mit dem Aufkommen der „Autonomen Nationalis­ten“  hatte  die  Szene  bundesweit  eine  stilistisch  an  die autonome  Linke  angelehnte  Erscheinungs­-  und  Organi­sationsform  gefunden  (dazu  allgemein  Klare/Sturm 2019), die in Sachsen in einer Vernetzung mit dem Namen „Freies  Netz“  mündete.  Zahlreiche  Kameradschaften, meist mit der Selbstbezeichnung „Nationale Sozialisten“, schlossen sich als „Freies Netz“ hauptsächlich in Sachsen zusammen und führten fortan eine Vielzahl von Demons­trationen durch. Das „Freie Netz Zwickau“ wurde 2007 von jungen aus der Region Altenburg in Thüringen zuge­zogenen Neonazis gegründet.7 Eine tragende Rolle nahm dabei  der  Meuselwitzer  Hammerskin  Thomas „Ace“ Gerlach ein, dessen Telefonnummer im Impressum der Gruppe zu finden war. Gerlach war mit der NSU-­Unter­stützerin Mandy Struck liiert und verfügte auch während der Zwickauer Zeit des Trios über beste Szenekontakte, u.a.  zum  NSU­Waffenbeschaffer Ralf Wohlleben aus Jena.8 Die Wortführerschaft der Gruppe in Zwickau lag bei dem damals Anfang Zwanzigjährigen Daniel Peschek, der zusammen mit drei weiteren Thüringern nach Zwickau gezogen war.

Ab  2008  trat  die  Gruppe  mit  bis  zu  40  Personen regelmäßig  bei  den  Zwickauer  Montagsdemos  gegen Hartz­IV in Erscheinung und versuchte diese zu vereinnahmen (Eumann 2008). Schon früh verfügten die jungen Neonazis über gute Kontakte zum Zwickauer NPD­-Ver­band  unter  der  Führung  des  2014  verstorbenen  Peter  Klose. Nachdem die Kameradschaft vor allem 2008 mit Störaktionen auf linken Versammlungen auffiel, verüb­ten ihre Anhänger ab 2009 mehr und mehr Gewalttaten. Bis 2012 zogen sich die darauf folgenden Gerichtsverfah­ren.  Spätestens  seit  der  Selbstenttarnung  des  NSU  im Jahr  2011  verschwand  die  Gruppe  von  der  Bildfläche, wobei  einige  Mitglieder  in  der  Fußballfangruppierung „A­-Block“ aktiv blieben. Mehrere bis heute aktive Rechte und Neonazis unter­nahmen bei den „Nationalen Sozialisten Zwickau“ ihre ersten Gehversuche. Tony Gerber etwa, der sich mit sei­nem  Blog  „Sonnenritter“  über  Jahre  an  extrem  rechter Philosophie übte, wurde später zum Anführer der Zwickauer „Identitären Bewegung“ und steht dieser bis heute ideologisch nahe.9 Daniel Peschek ist heute wieder in  seiner  Heimat  Meuselwitz  aktiv  und  versuchte  dort,  eine Bürgerwehr mit dem Segen des Bürgermeisters auf­ zubauen.10  Alexander  Schwarz,  heute  Stadtrat  für  die  AfD­-Abspaltung  „Fraktion  freier  Bürger“  in  Zwickau, nahm  zu  Zeiten  der „Nationalen  Sozialisten“  an  deren Demonstrationen teil. Aus Versehen dürfte das nicht pas­siert sein: Schwarz war bis 2016 Bassist der Rechtsrock­band „White Resistance“.11

DER DRITTE WEG: KÜMMERER VON NEBENAN?

Die aus dem verbotenen Kameradschaftsnetzwerk „Freies  Netz  Süd“  hervorgegangene  Partei  „Der Dritte Weg“ war ab 2013 zunächst nur in Bayern aktiv, dehnte sich  jedoch  bald  ins  sächsische  Vogtland  aus.  Mittler­weile  ist  Plauen,  wo  die  Partei  heute  eine  Immobilie  besitzt, das organisatorische Zentrum der Partei, weswe­gen  wichtige  Kader  wie  Tony  Gentsch  dorthin  zogen.12

Auch wenn die Partei in keiner anderen sächsischen Stadt eine  derartige  Verankerung  wie  in  Plauen  aufweisen  kann,  ist  Zwickau  als  weiterer  Aktivposten  des  Dritten Wegs in Sachsen zu betrachten. Die Zwickauer Gruppe des Dritten Wegs ist im Stützpunkt Westsachsen organi­siert, der 2017 in Plauen gegründet worden sein soll und hat im Zwickauer Stadtteil Neuplanitz ihr Hauptaktions­gebiet. Während in Chemnitz derzeit eine Führungsfigur der  Partei  fehlt,  erfüllt  Manuel  Ganser  diese  Rolle  als  offensichtlicher  Leiter  des  Stützpunkts  Westsachsen  in  Zwickau. Ganser stammt ursprünglich aus Göppingen in Baden­-Württemberg  und  zog  zwischen  2016  und  2019  nach  Zwickau.  Mit  Blick  auf  Plauen  und  den  dortigen gezielten  Zuzug  von  Kadern  aus  anderen  Regionen  ist  anzunehmen, dass auch Ganser gezielt zum Strukturauf­bau nach Zwickau kam.

EINE KLEINE, SEHR AKTIVE GRUPPE

Ganser  ist  seit  2020  stellvertretender  Vorsitzender  des  Landesverbands der Partei. Der Stützpunkt Westsachsen organisierte  in  der  Vergangenheit  eine  Vielzahl  von  Veranstaltungen in Westsachsen.13 So treibt Ganser aktiv die Aufbauarbeit  in  Zwickau  voran.  Er  schart  eine  kleine Gruppe von etwa zehn Personen um sich, die dauerhaft für die Partei aktiv sind. Der Dritte Weg sieht sich selbst als Kaderorganisation,  die  nicht  an  einer  Erweiterung  ihrer  Mitgliederzahl interessiert ist.14 Dennoch agiert der „Stützpunkt Westsachsen“ als Scheinriese: Auf Bildern von der Partei­Website präsentiert sich die Zwickauer Gruppe im  gesamten  „Stützpunktbereich“  Westsachsen  immer  wieder mit den gleichen vier bis fünf Personen. Teilweise wird dabei versucht zu suggerieren, es gebe zumindest in Chemnitz und Zwickau jeweils eine eigenständige, arbeits­fähige Ortsgruppe. Stattdessen ist Manuel Ganser bei so gut wie allen Aktionen anwesend und holt sich beispielsweise bei Infoständen und Flyerverteilungen in Chemnitz Unterstützung aus Zwickau und dem angrenzenden „Stütz­punkt Mittelsachsen“, dessen Mitglieder hauptsächlich aus der Region Freiberg kommen. Bei manchen Aktionen sind auch  bislang  unbekannte  Personen  in  einheitlicher  Par­teikleidung zu beobachten – die meisten sieht man jedoch nur einmal und so bleibt die Kerngruppe des „Stützpunktes Westsachsen“  auf  wenige  Mitglieder  beschränkt  und  auf  äußere Unterstützung angewiesen.

In  Zwickau  besetzt  die  Partei  neben  den  üblichen Themen der extremen Rechten wie Anti-­Asyl-­Kampagnen, Antisemitismus  und  Homofeindlichkeit  immer  wieder  die  Themen Tierschutz und „Armenhilfe“. In der Vergangenheit demonstrierten die Zugehörigen des Stützpunkts Westsachsen  gegen  Zirkusse,  die  in  Zwickau  gastieren und verteilten gebrauchte Kleidung und Spielzeug. Dafür haben  sie  sich  neben  dem  Chemnitzer Stadtteil Sonnen­berg besonders das Zwickauer Plattenbauviertel Neuplanitz ausgesucht. Mit ihren Aktionen suggerieren sie, der Staat habe auf eine Art versagt, die die Bekleidungsspen­den des Dritten Wegs notwendig mache. Neben Kleider­spendenständen führt die Partei vor allem in Neuplanitz Wahlwerbestände und jährliche „Sommerfeste“ und Fuß­ballturniere auf einem Neuplanitzer Bolzplatz unter dem Motto „Tag der Gemeinschaft“ durch.15 Saalveranstaltun­gen  mit  Zeitzeuginnen  und  Zeitzeugen,  Liedermachern  und  Vorträgen  finden  mutmaßlich  in  Gartengaststätten im  Stadtteil Marienthal statt. Darüber hinaus nähert sich der „Stützpunkt Westsachsen“ dem völkischen Ideal der Brauchtumspflege  an  und  veranstaltet  Wanderungen  sowie eine jährliche Sommensonnenwendfeier.

Der  Dritte  Weg  verfügt  nach  eigenen  Aussagen  in  Zwickau über eigene Räume. In Berichten über eine mo­natlich stattfindende Schulungsreihe auf der Website des Dritten Wegs ist wiederholt ein Raum zu sehen, dessen Wanddekoration einen festen Treffort vermuten lässt.

WAHLERFOLGE BLEIBEN BISLANG AUS

Während  der  Dritte  Weg  nicht  zur  Zwickauer  Stadtrats­wahl 2019 antrat, besuchten Mitglieder der Partei den Rat mindestens zweimal und ließen ihre Nähe zum extrem rechten Ratsherr Sven Georgi (ehemals Zukunft Zwickau)  erkennen. Zur Landtagswahl 2019 konnte die Partei nicht antreten,  weil  sie  bis  dato  über  keinen  Landesverband verfügte. Zur Europawahl trat die Partei an und kam auf 0,0  %  der  Stimmen,  im  Landkreis  Zwickau  auf  0,2  %.  Auch  zur  Bundestagswahl  2021  trat  die  Partei  an  und erlangte  in  der  Stadt  Zwickau  mit  170  Stimmen  ein Ergebnis  von  0,34  %  der Zweitstimmen.  Im  gesamten Landkreis erzielte Der Dritte Weg mit 418 Stimmen prozentual  das  gleiche  Ergebnis.16  Im  Wahlkampf  2021 sorgte die Partei mit Plakaten mit der Aufschrift „Hängt die  Grünen“  für  einen  Skandal.17  Einen  kleinen  Erfolg konnte die Partei bei Wahl des Jugendbeirats 2019 erzie­len: Der damals mit der Partei eng verbundene 16­jährige Neonazi Sanny Kujath schaffte es, mit 24 von 265 Stimmen in den Zwickauer Jugendbeirat gewählt zu werden, wobei  lediglich  3,49  %  der  wahlberechtigten  Jugendli­chen eine Stimme abgegeben hatten. Schließlich verhinderte aber der Stadtrat, dass Kujath sein Mandat antreten konnte.  Heute  ist  Kujath  nicht mehr  beim  Dritten  Weg  aktiv,  sondern  gründete  mit  der  „Jungen  Revolution“ seine eigene, mittlerweile aufgelöste Kameradschaft und betreibt  einen  neonazistischen  Buchversand  im  thü­ringischen Themar. Mit der „AG Jugend“ gibt die Partei vor, heute ihre eigene Jugendgruppe zu betreiben. 2020 führte die Partei eine Aktion gegen den in Zwickau antre­tenden Fußballverein „Türkgücü München“ durch (mehr dazu siehe Punkt „Fußball“).

JUNGE REVOLUTION

Die  Junge  Revolution  ist  eine  überwiegend  jugendliche  neonazistische Kadergruppe, die 2019 von Sanny Kujath in Zwickau gegründet wurde. Kujath, damals 16 Jahre alt, war zunächst als Anhänger der Partei Der Dritte Weg auf­getreten, distanzierte sich aber bald von der Partei und kritisierte sie für ihr „sektenartiges Verhalten“.18

Nach eigenen Angaben wurde Kujath bei einem rech­ten Protest gegen eine DGB­Kundgebung am 1. Mai 2016, bei  der  Heiko  Maas  von  der  Menge  ausgebuht  und  zu seinem  Fahrzeug  verfolgt  und  beschimpft  wurde,  von  Kadern  des  Dritten  Wegs  angesprochen  und  war  fortan  Anhänger  der  Partei.  Vorher  habe  er  bereits  eine  „klei­nere Kameradschaft“ gegründet. Gemeint ist damit offen­bar die „Junge Kameradschaft Zwickau“, deren Gesicht Kujath  vor  einigen  Jahren  war.  Nach  seinem  Ausstieg  beim  Dritten  Weg  gründete  er  die  „Junge  Revolution“ zunächst  als  „Video­Podcast­Format“,  wie  er  es  selbst  beschreibt.  Auf  dem  gleichnamigen  Youtube­Profil  erschien eine Reihe von Interviews mit namhaften Neona­zi­-Kadern  aus  dem  ganzen  Bundesgebiet.  Es  ist  zu  ver­muten, dass Kujath dabei tatkräftige Unterstützung von seinem  heutigen  Mentor  und  Ausbilder  Tommy  Frenck  aus Kloster Veßra (Thüringen) erhalten hat.19

Später war allerdings  festzustellen,  dass  sich  hinter  der  „Jungen  Revolution“ ein Netzwerk von Gruppen junger Neonazis verbirgt,  die  vor  allem  in  Zwickau,  Leipzig,  Thüringen und Baden­Württemberg zu finden waren. Eine Gruppe jugendlicher Zwickauer Neonazis trat beispielsweise bei der Großdemonstration der „Querdenken“­ Bewegung am 7.  November  2020  in  Leipzig  mit  Schlauchtüchern  der „Jungen  Revolution“  auf.  Im  Nachhinein  erschienen  Bil­der dieser Gruppe auf ihrem Telegram-­Kanal. Zwickauer Mitglieder  der  „Jungen  Revolution“  trafen  sich  laut Akteuren vor Ort zum gemeinsamen Kampfsporttraining. Als gemeinsames Label scheint dabei der „Fightclub 56“, dessen Instagram-­Auftritt einen Bezug zur „Jungen Revolution“ aufweist. Eine Gruppe junger Neonazis, mutmaß­lich der frühere Kern der „Jungen Revolution“ tritt heute unter dem Namen „Deutsche Jugend Zwickau“ auf. Im Dezember 2020 hing eine Gruppe namens „Nord­-Württemberg-Sturm“ im Baden­-Württembergischen Osterburken ein Transparent auf und setzte die Aktion medial in Szene – veröffentlicht wurde das Video auf dem Telegram-­Kanal der „Jungen Revolution“, als deren Teil sie sich selbst sehen. Mit der Aktion lehnt sich die Gruppe an  Aktionsformen  der  „Identitären  Bewegung“  an.20

Auch im Leipziger Umland scheint es Neonazis zu geben, die sich dem Netzwerk zugehörig fühlen. Hier tauchten in der Vergangenheit immer wieder Aufkleber der „Jungen Revolution“ auf.21 Im Februar 2020 hingen etwa zehn junge  Neonazis  ein Banner  der  „Jungen  Revolution  an  einem Leipziger Einkaufszentrum auf.22

In  unregelmäßigen  Abständen  organisierte  Kujath  mit der „Jungen Revolution“ Veranstaltungen. Am 14.  Februar 2020 führte Kujath eine Rechtsschulung mit dem  NPD­Kader  Sebastian  Schmidtke  im  Zwickauer  Hotel Garni Gerisch durch. Der Inhaber des Hotels ist der ehemalige  Freie­-Wähler­-Stadtrat  Thomas  Gerisch.  Am  17.  Juli 2020 schlug die Gruppe dann auf einer Wiese im Thüringischen Ilm-­Kreis auf, um dort ein Wehrsportlager zu  veranstalten.  Hierzu  waren  zahlreiche  Kader  unter­schiedlicher deutscher Neonazi­-Gruppen angereist, u.a. vom „Kampf der Nibelungen“ aus Dortmund. Die Polizei löste das Lager auf, Teile sollen sich später in Sonneberg (Thüringen) getroffen haben.23 Ein als Vernetzungsevent der „Jungen Revolution“ geplanter „Revolutionärer Kon­gress“ am 14. März 2020 im vogtländischen Zobes wurde aufgrund  der  COVID­19­Pandemie  untersagt.24  Im  Au­gust 2021 löste sich die „Junge Revolution“ nach eigenen Angaben schließlich auf.

Kujath  arbeitet  seit  2019  als  Azubi  im  neonazisti­schen  „Wirtshaus  zum  Goldenen  Löwen“  des  thüringi­schen Multifunktionärs Tommy Frenck. Von dort aus betreibt er einen eigenen Versandhandel namens „Deut­sche  Bücherstube“  mit  Sitz  im  benachbarten  Themar.  
Darüber hinaus hat er eine zweite Jugendvernetzung gestartet: Mit der Gruppe „Julefolk“ feiert er heidnische Feste und unternimmt  Wanderungen.  In  ihrem  Stil  lehnt  sich  die Gruppe an sogenannte völkische Gruppierungen wie die „Artgemeinschaft“ an.

NEONAZISTISCHE AKTIONSFELDER

NEONAZI-BANDS

Wenn es um neonazistische Bandprojekte in der Zwickauer  Region  geht,  fällt  immer  wieder  ein  Name:  Paul Morgenstern. Der 41­-Jährige spielt in verschiedenen Formationen  unterschiedliche  Formen  des  Rechtsrock:  Die bekannteste Band ist wahrscheinlich die Chemnitzer Band „Front 776“, das Nachfolgeprojekt der Band „Blitz­krieg“.  Morgenstern  ist  außerdem  unter  seinem  Künstlernamen  „Bile“  bei „Camulos“,  „Der  Tod  und  die Landsknechte“, „Eviscerated“, „Frozen Abyss“ und „Lei­chenzug“ aktiv.25 Darüber hinaus sitzt er unter dem Pseu­donym „Dor Gust“ bei der erzgebirgischen Black­Metal­ Band  „Andras“  am  Schlagzeug  und  tritt  als  „Aris  Witt­mann“  bei  der NSBM  (National  Socialist  Black  Metal)­ Band Stahlfront zusammen mit weiteren Neonazis, hauptsächlich  aus  dem  Raum  Zwickau  und  Erzgebirge, auf. Bei ihren seltenen Auftritten setzt die Band auf ein besonders martialisches und an den Nationalsozialismus angelehntes Erscheinungsbild mit Uniformen und Flaggen, die das NS­-Symbol „Schwarze Sonne“ zeigen.

„Leichenzug“  wird  von  Morgenstern  als  Ein­-Mann­-Projekt betrieben. Die Texte von „Leichenzug“­ verherrlichen u.a. den Krieg und zelebrieren die Tötung von Schwächeren. Das Album "Das letzte Gebot" wurde von der Bundesprüfstelle für Jugendgefähr­dende Medien wegen verrohender und zu Gewalttätigkeiten anreizender Inhalte indiziert.26 Manche Songs können als politisches Statement gelesen werden. So finden sich beispielsweise  Passagen,  die  die  SS verherrlichen.27  In der  Vergangenheit  spielte  Morgenstern  bei  den  Bands „Halgadom“, „Endless Vision“, „Baltak“ und der überre­gional bekannten Black­Metal­Band „Aeveron“. Nicht all diese Projekte sind politisch ausgerichtet und so gelingt es  Morgenstern  immer  wieder,  auch  Nicht­-Rechte  für seine Musik zu gewinnen. Paul Morgenstern betreibt sein eigenes  Label  „Blasphemous  Terror  Records“  in  Wil­kau-­Haßlau,  einer  Kleinstadt  im  Landkreis Zwickau.28 2014 war er kurzfristig Mitglied der Zwickauer AfD, trat aber nach öffentlichem Druck wieder aus der Partei aus.29
Ebenfalls in Wilkau­-Haßlau beheimatet ist das NSBM­-La­bel „Purity through fire“, welches Morgensterns Projekt „Leichenzug“ unter Vertrag hat.30

Ein  weiterer  umtriebiger  Neonazi-­Musiker  ist  der  Liedermacher Maik Krüger alias „Freilich-Frei“. Der seit 2014  aktive  Krüger  gibt  regelmäßig  überregional  Kon­zerte und frequentiert dabei besonders häufig Veranstal­tungen  der  NPD  und  ihrer Jugendorganisation  „Junge  Nationalisten“  (JN)  (Sächsisches Staatsministerium  des  Innern 2019).

Von Anfang der 2000er Jahre bis etwa 2010 wiesen mehrere Bands aus der NSHC (National Socialist Hard­core)­Szene Bezüge nach Zwickau auf, da einige Perso­nen aus den Reihen der ehemaligen „Nationalen Sozia­listen Zwickau“ in den Bands „Diary of a Dying Nation“, „Brainwash“  und  „Eternal  Bleeding“  spielten.  Der  Ursprung der Bands liegt in der Region Altenburg, während die meisten Mitglieder heute in Dresden wohnen und von den Bands in den vergangenen fünf Jahren keine neuen Veröffentlichungen  oder  Konzerte  bekannt  geworden  sind.

NEONAZISTISCHE UND RECHTSOFFENE KONZERTE

Insbesondere  das  Jahr  2019  war  Schwerpunkt  neonazistischer Konzerte in der Stadt. Mindestens drei davon fanden im Pölbitzer Dartclub in der Leipziger Straße 88 statt. Am 19. Juli 2019 spielte Philipp „Phil“ Neumann, Sänger der Rechtsrock­Band „Flak“ vor einem Publikum von  etwa  80  Personen,  am  Folgetag  die  Liedermacher „Fylgien“  (Sebastian  Döring)  aus  Berlin  und  der  Chem­nitzer „Otwin“ von der Band „Pionier“ vor ca. 35 Perso­nen.31  Das  Konzert  war  ursprünglich  in  einer  Garten­sparte  in  Meerane  geplant gewesen,  wurde  dort  aber,  nachdem der Betreiber über die Hintergründe aufgeklärt worden war, abgesagt und nach Zwickau verlegt.32 Am 8. November  fand  im  Pölbitzer  Dartcub  schließlich  ein  Konzert mit der neonazistischen Bremer Hooligan­Band „Kategorie C“ statt.33 Am 22. August 2020 gab es erneut ein extrem rechtes Konzert in Zwickau, der Ort ist aber unbekannt.34 Im November 2018 hatte bereits ein Rechts­rockkonzert  in  einem  Restaurant  in  Neuplanitz  stattge­funden.

Normalerweise werden Rechtsrockkonzerte aus Angst vor staatlicher Repression und zivilgesellschaftli­cher Gegenwehr konspirativ beworben. Interessierte be­kommen  eine  Info­-Telefonnummer,  unter  der  am  Tag  des Konzerts ein Schleusungspunkt, seltener der direkte Veranstaltungsort, bekannt gegeben wird. Dass dies nicht immer so sein muss, zeigen die rechtsoffenen Zwickauer Metal­-Festivals „Erase The Sun“ und „Hell Unleashed“, die  auch  nicht­rechtes  Publikum  anziehen.  Bei  beiden  treten immer wieder Bands auf, die in der Vergangenheit Bezüge  zur  extremen  Rechten  aufwiesen.  Das  „Erase  The  Sun“  fand  zuletzt  am  15.  Februar  2020  unter  dem  Motto  „Dritter  Angriff“  im Zwickauer  Club  Battlezone statt.35  Die  angekündigte  vierte  und  fünfte  Auflage konnte bislang aufgrund der COVID­19-­Pandemie nicht durchgeführt  werden,  die  Konzerte  sind  nun  für  2022  angekündigt. Hier soll u.a. die Band „Sarkrista“ auftre­ten,  die  sich  schon  mit  den  neonazistischen  westsäch­sischen Bands „Stahlfront“ und „Leichenzug“ die Bühne teilte  und  ebenfalls  beim  „Purity  through  fire“­-Label  veröffentlichte. Das „Hell Unleashed“ hat bereits seine zwei  kommenden  Festivals  2021  und  2022  im  „Club Seilerstraße“ angekündigt.  In  der  Vergangenheit  traten  beim „Hell Unleashed“ zahlreiche NSBM­-Bands auf, womit das Festival bis heute wirbt. Der „Club Seilerstraße“ hatte die Konzertreihe im Jahr 2017 nach externer Kritik ausgeschlossen,  seine Entscheidung  mittlerweile  aber  offenbar  zurückgenommen,  weshalb  weitere  Festivals dieser Reihe wieder für den Club angekündigt sind.

Insgesamt kann für Zwickau eine große Häufigkeit extrem rechter Veranstaltungen festgestellt werden. Was an  den  Veranstaltungen  in  Zwickau  besonders  auffällt,  ist,  dass  Gruppen  wie  der  Dritte  Weg  und  die  „Junge  Revolution“ offenbar problemlos Räume in nicht als Sze­netreffs  bekannten  Gaststätten  anmieten  können.  Währenddessen  tut  sich  die  Szene  weiterhin  schwer,  in  den  Besitz  geeigneter  Immobilien  für  ihre  Veranstaltungen  zu kommen.

NEONAZIS IM KAMPFSPORT

Kampfsport, speziell in Form der „Mixed Martial Arts“, stellt in Sachsen ein beliebtes Betätigungsfeld von Neonazis dar. Im Raum Zwickau nahmen in der Vergangen­heit nicht nur extrem rechte Akteure an Kampfsport­-Ver­anstaltungen teil, sondern sie trainieren auch in öffentli­chen  Kampfsportvereinen.  Mit  dem  „Tiwaz“  fand  2019 in der Paintball­Anlage „Shootclub Zwickau“ ein explizit neonazistisch ausgerichtetes Kampfsportevent statt.36

Gegen regionale Kampfsportvereine und Trainings­räume,  sogenannte  Gyms,  gab  es  in  der  Vergangenheit immer wieder Vorwürfe der Offenheit für rechte Akteure. Auf die Stadt Zwickau bezogen steht der Kampfsportver­ein KSSV Zwickau hierbei im Fokus. Während der Vor­stand in der Vergangenheit den Verein unter der Behaup­tung verteidigte, man schaue bei der Mitgliederauswahl nicht auf die Gesinnung und Politik spiele im Training­salltag keine Rolle, wiegen die Vorwürfe schwer: Marco Hampel etwa, Inhaber des neonazistischen Bekleidungs­geschäftes  Eastwear,  war  bis  mindestens  2018  Kinder­- und Jugendtrainer im Verein.37 2013 war der Verein Ziel einer Flyeraktion, bei der über die Machenschaften des Vereinsmitglieds aufgeklärt wurde. Die Vorwürfe waren dem  Vorsitzenden  Frank  Hillmer  spätestens  seitdem bekannt.  Mehrere  Neonazis,  die  beim  KSSV  trainieren, nahmen 2018 am sogenannten „Kampf der Nibelungen“ im ostsächsischen Ostritz teil, dem größten neonazisti­schen  Kampfsportevent  Deutschlands. 

Darunter  befanden sich Philipp F. und Steffen R., der über eine C-­Trai­nerlizenz  im  Boxen  verfügt.38  F.  und  R. reisten  zusammen  mit  ostthüringischen  Kämpfern  von  „Barbaria Schmölln“  an,  darunter  der Vereinsvorsitzende  Martin Langner  aus  Thonhausen  bei  Crimmitschau.  Langner nahm  2018  an  dem geschichtsrevisionistischen  Gewalt­marsch „Ausbruch 60“ in Budapest teil und ist regelmäßig Teil rechter Aufmärsche und Saalveranstaltungen. Er fällt  darüber  hinaus  durch  seine  Nähe  zur  Zwickauer Ortsgruppe  der  Partei  Der  Dritte  Weg  auf,  an  deren Pfingstwanderung er teilnahm. Seine Karriere führte ihn u.a. durch die „Shuri Fight Nights“ genannte Reihe von Kampfsportevents, die jedes Jahr in der Region stattfin­den.  Hier  findet  man  bei  den  Kämpferankündigungen  nicht nur regelmäßige Zurschaustellung von rechten Tat­toos  wie  z.B.  der  „Schwarzen  Sonne“,  sondern  es  nah­men in der Vergangenheit auch aktive Neonazis teil, vor allem  aus  dem  Raum  Chemnitz.39  Unter  dem  Namen Shuri findet man nicht nur die genannte Veranstaltungs­reihe,  sondern  auch  mehrere  Gyms,  die  es  in  Zwickau, Lichtenstein, Meerane und Plauen gibt.

NEONAZIS IM FUSSBALL

Dass sich die extreme Rechte in vielen Orten Sachsens in Fangruppierungen der örtlichen Vereine sammelt, ist ein bekanntes Phänomen. Beim FSV Zwickau trifft dies vor allem auf die hooligan­artige Gruppe „A­-Block“ zu, bei der  sich  insbesondere  die  Mitglieder  der  ehemaligen "Nationalen  Sozialisten  Zwickau"  gesammelt haben. Rechte Kampfsportler sollen ebenfalls Teil der Gruppe sein.

2020  versuchte  die  Neonazi­-Partei  Der  Dritte  Weg den Verein zu vereinnahmen, scheiterte aber daran. Im Vorfeld eines Spiels des FSV gegen Türkgücü München hatte  der  „Stützpunkt  Westsachsen“  der  Partei  vor  der GGZ­-Arena  mit  einem  Transparent  mit  der  Aufschrift „Türkgücü  nicht  Willkommen“  posiert.  Der  Zwickauer Drittligist  reagierte  prompt  und  veröffentlichte  ein  Sta­tement in sozialen Netzwerken, in dem es hieß: „Unser Stadion  –  Unsere  Regeln!  Türkgücü  München  bei  uns  willkommen!“.40  Der  Dritte  Weg titelte  später  kleinlaut auf seiner Website: „FSV Zwickau freut sich auf ‚Türki­sche  Kraft‘  aus  München“.  Dass  sich  der  Verein  heute seiner gesellschaftlichen Rolle bewusst zu sein scheint, zeigt auch der Besuch des FSV­-Trainers Joe Enochs bei einer  Kundgebung  gegen  den  rechten  Treffpunkt  „Pöl­bitzer Dartclub“.41

Das  war  jedoch  nicht  immer  so.  2011  kam  es  kurz nach der Selbstenttarnung des NSU zu rechten Gesängen von  der  Tribüne.  So  sei  das  sogenannte  „U­-Bahn­Lied“ angestimmt worden, außerdem hätten vereinzelte Fans „Terrorzelle Zwickau – olé, olé, olé“ und „NSU“ gerufen.42 2015 machte der Club Schlagzeilen, als in der Zwickauer Kabine die Worte „Alles Ausländer hier“ und „Kanacken“ bei einem Spiel gegen den SV Babelsberg 03 gefallen sein sollen. Babelsbergs Trainer behauptete darüber hinaus, einer seiner Spieler sei von der Zwickauer Bank aus als „Scheiß­-Türke“  beleidigt  worden.  Am  Ende  mussten Trainer und Spieler insgesamt 1500 Euro an eine antiras­sistische Initiative aus Babelsberg zahlen, wie ein Sport­gericht urteilte.43

NEONAZI-TREFFORTE IN ZWICKAU

In  Zwickau  gibt  es  mit  dem  Ladengeschäft  „Eastwear  Department“ von Marco Hampel und dem Pöbitzer Dart­club zwei bekannte Orte, die der rechten Szene als feste Gewerbe­  bzw.  Trefforte  dienen  (Kulturbüro  Sachsen  2021). Der Dritte Weg verfügt darüber hinaus offenbar über selbst  genutzte  Räumlichkeiten.  Das  Sächsische  Innenministerium nannte für das Jahr 2019 eine rechte Immobi­lie, die „anlassbezogen von parteiungebundenen Rechts­extremisten  genutzt“  wurde,  und  meinte  damit  offenbar den Pölbitzer Dartclub, in dem 2019 mehrere Rechtsrock­konzerte stattgefunden hatten. Für 2020 zählt das Innenministerium wieder eine Immobilie, die dieses Mal aber aus Geheimhaltungsgründen nicht genannt werden könne.
Ob hiermit erneut der bereits bekannte Pölbitzer Dartclub gemeint war oder auf eine etwaige Immobilie des Dritten Wegs Bezug genommen wird, ist unklar.

Das  Ladengeschäft  „Eastwear  Department“  in  der  Kreisigstraße  5  ist  der  Zwickauer  Szeneladen  der  extre­men Rechten. Ladeninhaber Marco Hampel verkauft hier neben seiner Eigenmarke „Eastfight Hatewear“ die bei Neonazis  beliebte  Marke  „Thor  Steinar“,  mit  Wehr­machtsmotiven  gespickte  Sweatshirts  von  „German  Shock Style“ sowie die unpolitische Marke „Alpha Indus­tries“. Nach der Selbstenttarnung des NSU wurde bekannt, dass der Laden ein T­-Shirt in seiner Auslage gehabt hatte, das die im Bekennervideo verwendete Zeichentrickfigur „Paulchen  Panther“  nebst  dem  Schriftzug  „Staatsfeind“  zeigte.44 Nach eigenen Angaben habe das Shirt schon seit längerem im Laden gehangen, sprich: Bevor der NSU und das  Motiv  von  Paulchen  Panther  im  rechten  Kontext  überhaupt  bekannt  wurden  (Eumann  2013).  Der  Laden hieß bis ca. 2007 „Last Resort Shop“ und wurde von Ralf Marschner  geführt.  Marschner  fungierte  jahrelang  als  V-­Mann für das Bundesamt für Verfassungsschutz. In die­ser Zeit, Ende der 1990er Jahre, galt Marschner als Sze­negröße  in  Zwickau.  Er  brachte  Fanzines  heraus,  grün­dete die Band „Westsachsengesocks“ und betrieb neben dem  „Last  Resort  Shop“  noch  einen  zweiten  Laden namens  „VIPers“.  Marschner  soll  sich  am  Vertrieb  von  „Landser“­CDs  beteiligt  haben.  Zeugen  meinten,  Uwe  Mundlos als Vorarbeiter von Marschners Baufirma erkannt  zu  haben.45  Mehrmals  mietete  er  Autos  an  den  Tagen,  an  denen  das  NSU-­Kerntrio  in  anderen  Städten  Anschläge beging.46 2007 verließ Marschner fluchtartig die Stadt und lebt heute in der Schweiz.

 

Die Situationsanalyse des Journalisten Johannes Grunert ist als Policy Paper #4 vom Else-Frenkel-Brunswik-Institut veröffentlicht worden in Kooperation mit ASA FF und Weiterdenken - Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen e.V.. Redaktionsschluss 30.10.21

 

Quellen:

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abgerufen am 10.08.21.
2  )  https://krautreporter.de/2170­der­nsu­lebt­weiter,  abgerufen  am  
10.08.21.
3 )  https://www.br.de/nachricht/nsu­prozess/150319­tagebuch­ge­
richts reporter­100.html
, abgerufen am 10.08.21.
4 )  https://www.rundschau­online.de/news/politik/zeuge­im­nsu­
prozess­zschaepe­war­­­ne­liebe­­gute­nachbarin­­2671246?cb=
1614815330969
und https://www.br.de/nachricht/nsu­prozess/150
319­tagebuch­gerichtsreporter­100.html
, abgerufen am 10.08.21.
5 )  https://sternendekorateure.wordpress.com/2016/11/06/attacken­
auf­zwickauer­gedenkbaenke/
und https://www.spiegel.de/pano­
rama/gesellschaft/zwickau­gedenk­baum­fuer­nsu­mordopfer­en­
ver­simsek­abgesaegt­a­1289903.html
abgerufen am 10.08.21.
6 )  https://www.t­online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/
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7 )  https://www.antifainfoblatt.de/artikel/das­nsu­unterst%C3%BCt­
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8 )  https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2014/07/25/rechtsrock­ham­
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, abgerufen am 18.08.21.
09  )   ZDF­Magazin  „Monitor“  vom  04.11.2014,  dokumentiert  unter  
http://zwickau.blogsport.de/2015/12/15/neonazi­tony­gerber/,
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10 ) https://taz.de/Rechte­Buergerwehr­in­Meuselwitz/!5681956/, abge­
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11 ) https://dontcallitmusic.noblogs.org/post/2017/12/14/white­resistan­
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13 ) https://www.endstation­rechts.de/news/nach­wahl­aus­in­sachsen­
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18 ) Zitat Kujath 2019 bei einer Podiumsdiskussion der Zeitschrift „NS
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22 ) https://www.chronikle.org/ereignis/banner­gr%C3%BCnauer­
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