Ortsbegehung Freiberg - Hintergründe

Unsere Führung anlässlich der Befreiung von Auschwitz

Wir haben anlässlich der Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar 1945 eine Führung über unser Schulgelände angeboten um den jüdischen Frauen, aus Auschwitz nach Freiberg deportiert, zu erinnern. In kurzen Beiträgen haben die Schülerinnen und Schüler der AG ORTSBEGEHUNG aus Biografien der Verfolgten zitiert. Wir recherchierten aber auch zu den Bewachern, der SS und dem weiblichen Überwachungspersonal und wollen das Freiberger Geschehen im europäischen Kontext verstehen. Wo kamen die Frauen her, wo gingen sie hin? Wir wollen das historische Wissen für unsere Zukunft befragen. Was können wir lernen und tun um Ausgrenzung und Verfolgung zu verhindern?

 

Zur Geschichte des Lagers

Was die wenigsten wissen – in Freiberg existierte während des Nationalsozialismus ein Konzentrationslager. Besser formuliert ein Außenlager des KZ Flossenbürg, jedoch mit vergleichbaren menschenverachtenden Lebens- oder Überlebensbedingungen. An der Frauensteiner Strasse gelegen, wurde ab Sommer 1944 bis Kriegsende 1945 in der ehemaligen Freia GmbH das Außenlager betrieben.

Unter dem Tarnnamen Freia GmbH entstand seit 1943 auf dem Gelände der ehemaligen Porzellanfabrik Freiberg ein Betriebsteil der Arado-Flugzeugwerke GmbH Potsdam-Babelsberg, die zu den führenden Luftrüstungsunternehmen des Deutschen Reichs gehörten. Um den Aufträgen der deutschen Kriegswirtschaft gerecht zu werden, wurden die Belegschaften ab 1943 durch Zwangsarbeiter aus Konzentrationslagern aufgestockt. Die Freia GmbH errichtete ein Außenkommando des KZ Flossenbürg, das aus rund 1000 weiblichen, jüdischen Häftlingen bestand, die zur "Vernichtung durch Arbeit" im KZ Auschwitz / Birkenau zuvor erfasst worden waren. Ein Teil der Häftlingsfrauen wurde in einem Außenkommando zur Rüstungsproduktion bei der Firma "Max Hildebrand GmbH" in Freiberg eingesetzt.

Die Transporte von Auschwitz nach Freiberg fanden an folgenden Tagen statt:

Der erste Transport findet am 31. August 1944 mit 249 polnischen Jüdinnen statt.
Ein zweiter Transport folgt am 22. September 1944 mit 251 polnischen Jüdinnen.
Der letzte Transport ist am 12. Oktober 1944 mit 502 Jüdinnen aus der damaligen Tschechoslowakei, Deutschland und anderen europäischen Staaten.

Die Kosten des Häftlingseinsatzes für die Freia GmbH betrugen 4,00 RM als Arbeitsvergütung (von denen die Häftlingsfrauen nichts erhielten), abgezogen wurden davon 0,70 RM für die "Häftlingsverpflegung“ am Tag. Jede Rüstungsfirma, die KZ-Häftlinge einsetzte nahm billigend die unzureichende Ernährung und das Prinzip der "Vernichtung durch Arbeit" in Kauf.
Zunächst in den Fabrikhallen an der Frauensteiner Straße kaserniert, wurden die jüdischen Mädchen und Frauen im strengen Winter 1944/45 in das unbeheiztes Barackenlager am Hammerberg (Schachtweg) einquartiert.

Die Wohnverhältnisse waren nicht schlecht, aber wir litten schrecklichen Hunger. Die Aufseherinnen schlugen uns oft und lachten uns aus. Die Meister beklagten sich wegen Kleinigkeiten beim Unterscharführer. Dieser schlug uns erbarmungslos oder bestrafte uns durch Nahrungsentzug. (…) Neun Monate lang trugen wir das gleiche Kleid und die gleiche Wäsche. Wir bekamen keine Seife und kein Wasser.
Lili G., KZ Freiberg –„Geheime Schwangerschaften“, Pascal Cziborra, 2008, S. 25

Am 14. April 1945 wurde das Lager vor der heranrückenden Front geräumt. Nach 16-tägiger Irrfahrt in zum Teil offenen Güterwaggons erreichten die Frauen das KZ Mauthausen, in dem sie von amerikanischen Truppen befreit wurden.
Acht jüdischen Frauen kamen nachweisbar in Freiberg ums Leben, wurden eingeäschert und auf dem Freiberger Donatsfriedhof begraben (ohne Grabstein). Ihre Urnen wurden 1950 auf den Jüdischen Friedhof nach Hannover überführt. Eine Stele erinnert - ohne nähere Angaben - an diese Opfer des nationalsozialistischen Verbrechens auf dem Ehrenfriedhof der sowjetischen Gefallenen an der Freiberger Himmelfahrtsgasse.

 

Wir wollen Helga Weissová-Hošková und Lisa Miková aus Prag einladen!

Um der Verfolgungsgeschichte ein Gesicht zu geben wollen wir die in Prag lebende Helga Weissova-Hoskova und Lisa Miková zu uns nach Freiberg einladen. Sie haben auf unserem Schulgelände im Lager leben müssen und wir wollen sie zu so vielen Dingen befragen.
Beide waren Häftlinge im Lager in Freiberg von Oktober 1944 bis April 1945, sie engagieren sich international im Erinnern an die Shoah mit Ausstellungen, Kunst und Gedenkstättenarbeit.

Das Schlimmste waren der Hunger, der Schmutz und die Wanzen. Wir waren immer hungrig und uns war immer kalt. Sie haben uns nicht erlaubt, etwas auf unserem Kopf zu tragen. Für die Pritsche hatte jeder nur eine dünne Decke. Ich war mit meiner Mutter auf einer Pritsche, und wir haben die beiden dünnen Decken aufeinander gelegt. Das war ein bisschen wärmer. Ende März stellte die Fabrik die Arbeiter ein und damit wurde unsere Speisezuteilung noch gekürzt. Eine Zeitlang später bekamen wir überhaupt nichts zu essen und wir suchten auf dem Feld Wurzeln."