Rekultivierung: Die Probleme liegen unter der Oberfläche

Nach dem Ende des Tagebaubetriebs sollen die Flächen wieder genutzt werden. Doch die Schäden prägen die Landschaft noch nach Jahrzehnten. 

Bei einem Braunkohletagebau wird vorne abgebaggert, dann die Kohle entnommen und hinten der Abraum wieder aufgeschüttet. Es folgt die Rekultivierung, um das Gebiet wieder nutzen zu können. Damit ist der Zyklus abgeschlossen. 

So einfach das in der Theorie ist, so kompliziert, langwierig, teuer und gefährlich ist in der Realität die Herstellung einer solchen neuen Bergbau-Folgelandschaft aus Forsten, Agrar-, Freizeit- und Verkehrsflächen. In Sachsen und den anderen neuen Ländern kümmerte sich ab 1990 die Treuhandanstalt um die Privatisierung der DDR-Braunkohlekombinate. Seit 1995 ist die bundeseigene Lausitzer 
und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH (LMBV) für Abwicklung und Rekultivierung der unverkäuflichen Teile zuständig. 
In dessen Sanierung haben Bund und Länder zwischen 1992 und Ende 2015 bereits 10,2 Milliarden Euro investiert. Für 2018 bis 2022 stehen weitere 1,2 Milliarden in Aussicht. Insgesamt muss die LMBV rund 97.000 Hektar in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg rekultivieren. 

Die einfachste Form der Nachnutzung entsteht aus dem Tagebauloch. Sein Volumen entspricht ungefähr dem der entnommenen Kohle. Soll nicht immer weiter das Grundwasser abgepumpt werden, ist eine Flutung unausweichlich. Auf diese Weise entstehen bei größeren Tagebauen bis zu 80 Meter tiefe Seen. Allein in Sachsen gibt es mehr als 30 Bergbaufolgeseen mit zukünftig über 12.000 Hektar Fläche. Bis heute ist nur ein Teil der Seen tatsächlich geflutet. Sieben von 27 Seen werden voraussichtlich erst 2020 oder später vollständig gefüllt sein.

Aus den laufenden oder noch geplanten Tagebauen in den beiden Revieren kommen dann noch weitere sieben Seen mit insgesamt über 6.000 Hektar dazu. Sie werden erst in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts gefüllt sein. Auf sächsischem Gebiet gehört dazu der Tagebau Reichwalde, der sich in einen See von 1.490 Hektar und mit einem Volumen von 310 Millionen Kubikmeter Wasser verwandeln soll. Aus dem Tagebau Vereinigtes Schleenhain sollen ein Pereser und ein Groitzscher See mit einer Gesamtfläche von 1.539 Hektar und einem Volumen von 492 Millionen Kubikmetern entstehen. Der Tagebaurestsee im Tagebau Nochten sollte einmal fast 1.800 Hektar groß werden. Die Fläche wird sich nach den im März 2017 veröffentlichten Umplanungen verringern.
Um die Böden der zu rekultivierenden Tagebauflächen wieder nutzen zu können, soll der Oberboden getrennt erfasst und wieder aufgeschüttet werden. Doch die belebte Bodenschicht hat nur eine Dicke von 20 bis 30 Zentimetern, ein Tagebau-Vorschnittbagger aber einen Schaufelraddurchmesser von zwölf Metern und eine Abtragstiefe von drei Metern. Beim Ab- und Wiederauftragen werden deshalb belebter Oberboden und unbelebter Unterboden vermischt. Auf den rekultivierten Standorten befindet sich unter der nun etwa ein Meter dicken künstlichen Oberbodenschicht eine etwa 100 Meter mächtige Zone aus aufgeschüttetem Abraum, in dem sämtliche Grundwasserleiter zerstört sind. 

Weil die Agrarflächen aus Bodenteilchen bestehen, die nicht zusammenhalten, ist das ganze Gefüge instabil und für bis zu 30 Jahre kaum beanspruchbar. Die Erträge dort erreichen trotz aller Bemühungen erst nach 60 bis 80 Jahren das Niveau gewachsener Böden aus ähnlichen Substraten. Nach Abschluss der Bergbauarbeiten steht das Wasser auf den ehemaligen Tagebauflächen oftmals höher als ursprünglich – das führt zu weiteren Bewirtschaftungshindernissen. Zwar wird der Abraum beim Wiederaufschütten und bei der Rekultivierung verdichtet, aber immer wieder kommt es zu Rutschungen und dem „Setzungsfließen“, wenn sich das wieder ansteigende Grundwasser seine Wege sucht. Auch Böschungen und Kippenränder sind davon betroffen; 2003 verschlang eine solche Rutschung bei Nachterstedt in Sachsen-Anhalt zwei Häuser, und drei Menschen starben. Heute sind in Sachsen 12.672 Hektar Kippenfläche gesperrt. Wann sie wieder als sicher gelten können, ist bei den meisten ungewiss. 

Die Rückkehr des Grundwassers nach einer Einstellung des Tagebaus verursacht nicht nur Stabilitätsprobleme. Steigt es – was die Regel ist – über das ursprüngliche Niveau an, finanziert die LMBV ganz oder teilweise die Anhebung ganzer Häuser, den Einsatz von Pumpen oder die Abdichtung von Gebäuden. Allein im Südraum Leipzig sind hier von zwischen 2013 und 2017 mindestens 80, im gesamten Mitteldeutschen Revier 500 Häuser betroffen. 

Eine Grundwasserniederhaltungsanlage schützt Teile der Wohnbebauung von Hoyerswerda. Sie kostet allein im Unterhalt jährlich etwa eine halbe Million Euro. Insgesamt stellt die LMBV für solche Maßnahmen zwischen 2013 und 2017 rund 460 Millionen Euro bereit.
Die Tagebaue haben in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen insgesamt 41 Grundwasserkörper beeinflusst. Davon sind heute zwölf so erheblich geschädigt, dass sie die EU-Vorgaben nicht erreichen. Daran wird sich auf unabsehbare Zeit auch nichts ändern.

 

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