Erneuerbare Energien: Noch lange nicht genug

Die Energiewende kommt in Sachsen nur mühsam voran. Die Landesregierung will es sich mit der Braunkohlelobby nicht verderben und bemüht sich zu wenig um den Ausbau erneuerbarer Energieträger.

Der Freistaat Sachsen ist in die bundespolitischen Grundsätze eingebunden, um die deutschen Verpflichtungen gegen den weiteren Klimawandel zu erfüllen. Der Ausbau erneuerbarer Energieträger soll dazu beitragen, die Erderwärmung bis 2100 auf möglichst 1,5 Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten zu begrenzen. Bis 2050 sollen so 95 Prozent der Treibhausgasemissionen vermieden werden. 

Dazu dient das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das das seit 2000 das wichtigste Instrument für die Förderung erneuerbarer Energien im Strombereich ist. Es regelt die Abnahmepflicht für den eingespeisten Strom aus Erneuerbaren in das Netz und sieht dafür eine zwanzigjährige Vergütungsgarantie vor. Zudem legt es fest, welche Technologien welche Vergütungen erhalten. Damit ist das EEG auch ein Anreizprogramm, den Mittelstand zu stärken, Arbeitsplätze zu schaffen und Energieimporte zu reduzieren. 

Mit dem Klimaschutzplan 2050 will der Bund Druck aufbauen, um von den fossilen Energieträgern – allem voran von der Kohle – wegzukommen. Im Energiesektor sollen bis 2030 etwas über 60 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden als noch 1990. Für Sachsen bedeutet das eine knappe Halbierung der Emissionen aus dem Stromsektor bis 2030. Der rasche Beginn des Braunkohleausstiegs ist damit unausweichlich, wird nur noch nicht offen benannt. 

Sachsen will hingegen seinen Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch nur auf 28 Prozent bis 2022 steigern. Es liegt damit deutlich hinter dem Ziel der Bundesregierung von 35 Prozent bis 2020 und auch hinter anderen ostdeutschen Bundesländern zurück. Die Vorgaben sind im „Energie- und Klimaprogramm 2012“ vom März 2013 enthalten, das noch immer aktuell ist. In Sachsen verdrängt der Strom aus erneuerbaren Energien auch nicht den Kohle- und Atomstrom, sondern die neue Produktion kommt zur alten hinzu. Es ist insgesamt mehr Strom im Markt. Der Überschuss geht in den Export.

Weil zu wenige Altanlagen vom Netz gehen, sinkt der Strompreis an der Leipziger Strombörse seit Jahren kontinuierlich. Ende 2014 lag er bei 3,5 Cent pro Kilowattstunde. Für Privathaushalte jedoch steigt der Strompreis, wofür meist der Ausbau der regenerativen Energien verantwortlich gemacht wird. Der durchschnittliche deutsche Haushaltsstrompreis betrug 2014 29,5 Cent pro Kilowattstunde. Davon machte die EEG-Umlage nur 22 Prozent (6,5 Cent) aus. Tatsächlich wäre der Strom aus Erneuerbaren bereits heute kostengünstiger als Strom aus konventionellen Energieträgern, wenn die echten Kosten (Klima-, Umweltfolge- und Gesundheitsschäden, Beseitigung von Altlasten) und die staatlichen Unterstützungen berücksichtigt würden.

Das sächsische Energie- und Klimaprogramm sieht vor, bis 2022 den Anteil der Windenergie an der Bruttostrom-
erzeugung auf 2.200 Gigawattstunden pro Jahr zu erhöhen. Solar- und Bioenergie sollen jeweils auf 1.800 Gigawattstunden steigen. Für Wasserkraft ist nur ein geringer Ausbau auf 320 Gigawattstunden vorgesehen. Insgesamt steigert sich damit der Anteil Erneuerbarer auf 6.120 Gigawattstunden; die Erneuerbaren hätten so 2022 bei gleichbleibender Bruttostromerzeugung einen Anteil von 14 Prozent. Wird der Export herausgerechnet, ergibt sich der Anteil von 28 Prozent am Verbrauch.

Nötig ist auch der Abschied von der zentralen Energieversorgung mit ihren großen Einheiten. Stattdessen ist mehr Kleinteiligkeit geboten. Die nötigen Einsparmaßnahmen sind in dezentralen Netzen besser möglich, wenn Energie vor Ort generiert, gespeichert und genutzt wird. Denn kleinere Anlagen sind effizienter, weil sie flexibler sind und die Energie nicht über weite Strecken transportiert werden muss. Durch den Aufbau der Anlagen und ihre Wartung werden auch die Arbeitsplätze „lokalisiert“ – im Idealfall. Doch die Realität sieht oftmals anders aus. Mittlerweile haben einige große Konzerne das Geschäft mit den erneuerbaren Energien übernommen. Sie setzen nicht auf Dezentralisierung, sondern speisen den Strom in die großen Übertragungsnetze ein.

Die meisten regenerativen Energieträger, vor allem Wind und Sonnenlicht, stehen nicht permanent zur Verfügung. Weil die Anforderungen an die Versorgungssicherheit hoch sind und gewaltige europäische Fernstromnetze vermieden werden sollen, müssen Energiespeicher genutzt werden. Konventionell sind dies die Pumpspeicherwerke. Dort wird Wasser in eine höhere Lage gepumpt und fließt bei entsprechender Nachfrage durch Turbinen wieder ab – bei insgesamt 30 Prozent Verlust durch die Pumpenergie. Mit der Anlage in Markersbach verfügt Sachsen über das zweitgrößte deutsche Pumpspeicherwerk; ein zweites Werk in Niederwartha ist außer Betrieb. Jedoch wird intensiv an Batterien und baulichen Wärmespeichern geforscht – mit vielen Chancen für die sächsische Forschung und die Bauindustrie. Ein Beispiel dafür ist das Kraftwerk Dresden-Reick, in dem sowohl Strom wie Wärme in verschiedenen Systemen gespeichert wird.

Im Sprachgebrauch wird die Energiewende häufig auf den Stromsektor reduziert. Tatsächlich bezieht sie sich aber auch auf Heizung und Kühlung von Gebäuden, auf die Prozessenergie in der Industrie und die Treibstoffe für die Mobilität. In Sachsen gehen 40 Prozent des Endenergieverbrauchs in die Wirtschaft und je 30 Prozent in den Verkehr und die privaten Haushalte. Die Verteilung zeigt, wie breit die Energiewende eigentlich angelegt werden muss.

Insgesamt hat sich Sachsen in der Vergangenheit zu wenig um den Ausbau der erneuerbaren Energien bemüht. Im Bericht zur Nachhaltigkeitsstrategie, der im Herbst 2016 veröffentlicht wurde, äußert sich die Staatsregierung angesichts des 21,4-Prozent-Anteils der erneuerbaren Energien am sächsischen Bruttostromverbrauch 2014 positiv und betont die ambitionierten Ziele des Koalitionsvertrags. Allerdings soll die Nutzung der Braunkohle weiterhin Bestandteil der sächsischen Energiepolitik bleiben – und ein Ausstiegspfad aus der Braunkohle fehlt ganz.

 

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