Evangelikale in Sachsen - Ein Bericht

Der sächsische Biblebelt

Evangelikaler Fundamentalismus vs. vielfältige Demokratie

Mit dem hier vorgestellten Artikel setzt Weiterdenken eine Debatte fort, die wir 2012 mit Oda Lambrecht und Christian Baars begonnen haben. Die Autor_innen stellten ihr Buch „Mission Gottesreich -Fundamentalistische Christen in Deutschland“ in Dresden und Schwarzenberg vor. Obwohl Sachsen kaum eine Rolle im Buch spielte, schienen die Veranstaltungen einen wunden Punkt getroffen zu habe. Die folgenden Diskussionen zum Thema waren intensiv und sehr kontrovers und haben uns veranlasst, den aufgeworfenen kritischen Fragen unter einem sächsischen Fokus weiter nachzugehen. Denn hier gibt es starke evangelikale Bewegungen, deren Weltsicht aber vor allem deren Versuche der politischen Einflussnahme mit den Werten einer emanzipatorischen Demokratie kollidieren. Die Journalistin Jennifer Stange erhielt daher von uns den Rechercheauftrag, sich eingehender mit den lokalen evangelikalen Strömungen und ihrer gesellschaftspolitischen Einflussnahme auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse ihrer Recherche sind besorgniserregend: regelmäßig werden aus diesem Spektrum homophobe und islamophobe Positionen laut, werden Feminismus und Gender-Mainstreaming bekämpft, repressive, patriarchale Gesellschaftsentwürfe als alternativlos befördert und der Schulterschluss mit so mancher rechtsradikaler Position ist erschreckend augenfällig. Wenn fundamentalistische Gesellschaftskritik dann noch auf lokale- und landespolitische Andockungspunkte statt auf klare Abgrenzung trifft, greift dies die Werte einer demokratischen, pluralistischen und aufgeklärten Zivilgesellschaft an. Deren Verteidigung und Bestärkung sind wir als politische Stiftung verpflichtet, unser Augenmerk liegt daher vor allem auf der Beförderung des entsprechenden kritischen Diskurses.

So liefert der folgende Artikel einen ersten Überblick über die evangelikale Szene und ihrer gesellschaftspolitischen Positionen in Sachsen und verdeutlicht klar den hier entstandenen antidemokratischen und manipulativen Aktivismus. Die tragenden fundamentalistischen Akteur_innen finden immer wieder Fürsprecher_innen auch aus dem politisch konservativen Spektrum, eine klare Abgrenzung ist kaum erkennbar. Auch die Evangelische Landeskirche sind Teil des demokratischen politischen Feldes und müssen gegenläufigen Strömungen unter ihrem Dach entgegenwirken und klare Abregrenzungen zu den im folgenden dargestellten Positionen bieten.

Uns geht es ausdrücklich nicht um die Bewertung kompletter Gemeinden oder einer Bewegung in Gänze, auch setzen wir die Evangelische Landeskirche und auch nicht alle freikirchlichen Gruppierungen mit dem beschriebenen Akteur_innen und ihren Unterstützer_innen gleich. Dennoch bietet der Essay einen kritischen Blick in ein nicht wenig einflussreiches Spektrum hier in Sachsen, der expliziten demokratischen Widerspruch unabdingbar macht.

Wir wollen hierzu weitere Informationen liefern und die entsprechenden politischen Debatten befördern.

 

Im Bericht von Jennifer Stange wird häufig auf die "Markersbacher Erklärung" Bezug genommen.
Sie heißt im Original "Erklärung 144 sächsischer Kirchgemeinden zum „familiären Zusammenleben“ im Pfarrhaus".
Darin heißt es:

In § 39 Abs. 1 des Pfarrdienstrechts der EKD, das ab 1. Januar 2012 in allen Landeskirchen im Bereich der EKD gelten soll, wird vom „familiären Zusammenleben“ im Pfarrhaus gesprochen. Dieser Begriff soll bewusst auch andere Lebensformen neben der Ehe von Mann und Frau – z. B. homosexuelle Lebenspartnerschaften – einschließen, wie es die „Begründung“ zum Pfarrdienstgesetz erläutert.
Die unterzeichnenden Kirchgemeinden bitten die Kirchenleitung und die Synode unserer sächsischen Landeskirche inständig, an der „Feststellung“ der Kirchenleitung vom 29.08.2001 festzuhalten, in der unter Punkt 2 b) ausdrücklich ausgesagt wird, dass „eine homosexuelle Beziehung nicht im Pfarrhaus gelebt und nicht zum Inhalt der Verkündigung gemacht“ werden darf (Abl. 2001, B 53).

Die Erklärung mit einer Liste aller unterzeichnenden Gemeinden mit Stand vom April 2012 findet sich hier (pdf-Datei, 466 kB).

In der Karte unten haben wir alle alle unterzeichnenden Gemeinden nach dieser Liste eingetragen, die auch über die Suchfunktion in der Karte zu recherchieren sind.

 

 

 

 

Ergänzung September 2015:

In der Mitteldeutschen Zeitung warnt der Ex-EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider vor rechtsradikalen Tendenzen im Protestantismus.

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