Kurzanalyse der Bundestagswahl 2021

Analyse

Deutschland hat gewählt. SPD, Grüne und FDP gehen als Gewinnerinnen aus der Wahl hervor, blicken aber sehr unterschiedlich auf das Ergebnis – je nach Erwartung und wahrgenommenem Handlungsdruck.

Insgesamt verfestigt sich der Trend hin zu einem Parteiensystem, in dem keine einzelne Partei mehr dominiert. Eine besondere Rolle kommt bei dieser Wahl den Direktmandaten zu. Diese Kurzanalyse präsentiert erste Ergebnisse. Eine umfassendere empirische Analyse folgt in den nächsten Tagen.

Grüne, SPD und FDP legen zu

Aus der Bundestagswahl sind drei Gewinnerinnen hervorgegangen: Die SPD mit einem Stimmenzuwachs von 5,2 Prozentpunkten wurde mit 25,7 Prozent stärkste Kraft. Bündnis 90/Die Grünen verzeichnen mit 5,8 Prozentpunkten den größten Gewinn von allen Parteien. Mit dem Ergebnis von 14,8 Prozent blieben sie hinter den Erwartungen zurück, konnten aber 16 Direktmandate gewinnen. Die FDP verzeichnet mit 11,5 Prozent leichte Zugewinne (+0,7). Verloren haben die Unionsparteien, insbesondere die CDU. Auch AfD und Linke verzeichnen Verluste.

Das Wahlergebnis verfestigt die Entwicklung der Bundesrepublik zu einem Sechs-Parteiensystem, in dem die Abstände zwischen den Parteien auf der Bundesebene deutlich geringer sind als in früheren Jahren. Stabil geblieben ist hingegen die Wahlbeteiligung (76,6; +0,4).

Neue Koalitionsoptionen 

Das Wahlergebnis lässt rechnerisch und politisch drei Koalitionen zu: Die politisch unwahrscheinliche Fortsetzung der großen Koalition von SPD und CDU/CSU oder ein Bündnis von Grünen und FDP mit SPD oder Union. Als Novum und Zeichen für die veränderten Bedingungen im Parteienwettbewerb steht die Ankündigung von Grünen und FDP, zunächst über ihre potentielle Zusammenarbeit zu verhandeln, bevor sie in Gespräche mit den beiden größeren Fraktionen gehen. Andere vor der Wahl diskutierte Koalitionsoptionen erreichen keine parlamentarische Mehrheit.


Politische Repräsentation von Frauen im Bundestag leicht gestiegen

Der leichte Anstieg des Anteils weiblicher Abgeordneter (+3,3 Prozentpunkte) im neuen Parlament ist insbesondere auf die gestärkten Fraktionen von Grünen und SPD zurückzuführen. Die Grünen haben mit 58,5 Prozent den höchsten Frauenanteil im Fraktionenvergleich. Insgesamt bleiben Frauen im Bundestag mit 34,7 Prozent deutlich unterrepräsentiert.


Regionale Muster im Wahlverhalten – aber nicht Ost-West

 Der Blick auf die besten Zweitstimmenergebnisse auf Wahlkreisebene unterstreicht den Erfolg der SPD, besonders in den neuen Bundesländern. Bei der Union dominiert die CSU zwar Bayern, aber ansonsten ist die CDU zurückgeworfen auf Hochburgen vor allem in Baden-Württemberg und einige Regionen in Nordrhein-Westfalen. Die Wahl 2021 zeigt auf, dass die Unterschiede zwischen Ost und West inzwischen differenzierter zu betrachten sind und eine pauschale Unterscheidung entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze nicht trägt: Während Thüringen und Sachsen von starken Zweitstimmenergebnissen der AfD geprägt sind, entschieden sich die Wählerinnen und Wähler in den anderen ostdeutschen Bundesländern bei dieser Wahl besonders stark für die SPD.

Direktmandate im Fokus

Die Grünen erreichen erstmals 16 Direktmandate (+15 im Vergleich zur letzten Bundestagswahl). Die Linke sichert sich durch 3 Direktmandate den Verbleib im Parlament (Zweitstimmenergebnis 4,9 Prozent). Die AfD profitiert von der Schwäche der CDU und erringt so 16 Direktmandate. Insgesamt hält die Vielfalt der erzielten Direktmandate von SPD, CDU, CSU, Grüne, Linke, AfD den Bundestag kleiner als erwartet.

Wählerwanderungen

Die CDU hat bei weitgehend stabiler Wahlbeteiligung massiv an Stimmen verloren, insbesondere an die SPD (hier ca. 1.5 Millionen im Saldo). Die Grünen verzeichnen im Saldo Zugewinne aus allen Parteien. Sie profitieren sehr deutlich von vormaligen CDU- und Linken-Wähler/innen (920.000 bzw. knapp 500.000), SPD und FDP (je ca. 250.000) sowie von vormaligen Nichtwähler/innen (ca. 300.000). Der Wahlsieg der SPD fußt genauso zu einem großen Teil auf der Aktivierung von Nichtwähler/innen sowie einem Zugewinn von der Linkspartei. Die AfD verliert im Saldo fast eine Millionen Wähler/innen, vor allem an SPD und FDP.

Generationenunterschiede sind gewachsen

Bei dieser Bundestagswahl entschieden sich besonders viele der jüngeren Wählerinnen und Wähler für die Grünen, dicht gefolgt von der FDP. Hier scheinen Zukunftsthemen wie Klimaschutz oder Digitalisierung besonders starke Anliegen zu sein. Dabei zeichnet sich bei dieser Bundestagswahl ein deutlicher Unterschied zwischen den jüngeren und älteren Wähler/innen ab: Die CDU erfährt kaum noch Unterstützung durch jüngere Wählergruppen. Ginge es nach der älteren Generation, dann hätte die Große Koalition weiterhin eine satte Mehrheit. Bei den Jüngeren liegt die Unterstützung für diese Formation inzwischen bei unter 30 Prozent.