"Wir werden etwas Großes erreichen"

Klimaproteste in Zeiten von Corona: Wir haben mit Aktivist:innen der FridaysForFuture-Bewegung aus dem Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland darüber gesprochen, wie sich der Protest verändert und wie es weiter geht.

Teil 1 mit Maria aus Warschau, Schülerin, 18 Jahre alt

Maria von FFF Warschau auf einer Demonstration

Wie heißt du und woher kommst du?

Ich bin Maria und ich komme aus Warschau, Polen, aber ich ziehe nächstes Jahr zum Studieren in die Niederlande.

Wie bist du in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv?

Ich bin aktiv bei FridaysforFuture Polen. Angefangen habe ich in der Ortsgruppe in Warschau, momentan konzentriere ich mich aber mehr darauf FFF Polen international zu vernetzen. Dort bin ich inzwischen aktiver als bei FFF Warschau. Meine Rolle bei FFF Polen ist also das Kommunizieren mit anderen Ländern.

Wie wird sich dein Aktivismus verändern, wenn du umziehst?

Das ist eine gute Frage, da ich mir selbst noch nicht sicher bin. Es gibt eine Klimabewegung in Maastricht, wo ich hinziehe, aber keine FFF Ortsgruppe. Vielleicht werde ich mich also anderen Klimagruppen anschließen und früher oder später FFF Polen verlassen. Dennoch möchte ich weiterhin auf internationaler Ebene aktiv sein und hoffe, dass sich dahingehend nicht viel ändern wird.

Wie organisiert ihr euch normalerweise bei FFF Polen?

Es ist schwer es „organisieren“ zu nennen, da ich in meiner Arbeit ein bisschen chaotisch bin. Ich versuche alles zu kontrollieren, was auf Whatsapp, Telegram, Signal und Slack passiert.

Um die Frage zu spezifizieren: Trefft ihr euch persönlich, wenn du auf internationaler Ebene aktiv bist?

Wir haben meistens Zoom-Konferenzen, da ein persönliches Treffen vor allem in Zeiten von Corona schwierig ist. Früher war es ähnlich, aber es gab einige Situationen, in denen Aktivist:innen aus anderen Ländern nach Warschau gekommen sind. Auch ich hatte vor Aktivist:innen andernorts zu besuchen. Aber die meiste Zeit ist es Telegram und Zoom.

Wie beeinflusst Corona deine politische Arbeit?

In dem Moment, als die meisten Länder beschlossen Schulen und Universitäten zu schließen, wurden die internationalen Kanäle buchstäblich verrückt – alle begannen, Anrufe und Treffen zu planen. Es kam manchmal vor, dass ich an einem Tag fünf bis sechs Zoom-Anrufe hatte. Nach einiger Zeit war es zu viel und ich musste eine Pause einlegen, also hörte ich etwa drei Tage lang auf Nachrichten zu beantworten.

Front des Fridays for Future-Klimastreikes am 27. September 2019 in Erfurt, Fronttransparent mit aufgemalten Motiv "Wir sind jung & brauchen die Welt"

Klimakrise und Corona

Hätte eine Person 2019 gefragt, welches Thema die nächsten fünf Jahre dominieren würde, wäre es sehr wahrscheinlich die Klimakrise. Allein in Deutschland gingen am 20. September 2019 rund 1,4 Millionen Menschen unter dem Motto „Fridays For Future“ (FFF) für mehr Klimaschutz auf die Straße. 2019 ist das Jahr des Aufwachens gewesen. Und 2020 sollte das Jahr des Handelns werden. Noch im Januar waren die Großbrände in Australien das Jahresereignis. Das politische Momentum schien für eine ökologische Wende bereit zu sein.

Ein paar Wochen später stand jedoch neben der Corona-Krise kaum noch ein gesellschaftliches Thema auf der Agenda. Sowohl Medien als auch die Regierungsarbeit und das abendliche Tischgespräch drehten sich um  die Pandemie und ihre sozialen Folgen. Doch die drängende Frage der Klimagerechtigkeit ist nicht verschwunden.

Was ist dabei mit dem Thema Klimagerechtigkeit passiert? Wie hat FridaysforFuture in der Isolation weitergelebt? Und hat das Jahr 2020 doch noch Potential, das Jahr des Handelns zu werden? Wir haben drei FFF-Aktivist:innen aus drei Ländern gefragt. Denn weder Klima noch Corona machen nicht an Ländergrenzen halt. Davon erzählen:

Wie schafft ihr es als Bewegung in der Gesellschaft präsent zu bleiben? Welche neuen Formate gibt es in Zeiten von Corona?

Wir organisierten natürlich Streiks in den Sozialen Medien. Aktivist:innen machten Fotos mit Menschen, die ihre Schilder halten und posteten diese in sozialen Medien. Abgesehen davon organisierten wir in Warschau in Zusammenarbeit mit Greenpeace einen Hologramm-Marsch, der im Kulturpalast sichtbar war und aufgezeichnet wurde.

In Deutschland versucht FFF für jede demokratische Partei offen zu bleiben. So arbeiten sie auch mit konservativen Parteien zusammen. Wie ich weiß, ist die PiS eine rechts-konservative Partei, die breite Zustimmung in der Bevölkerung hat. Hat FFF Polen eine Position zur PiS, die öffentlich geäußert wird?

Als FFF nein – wir halten uns an die Regel, dass wir jede politische Partei gleich behandeln, wir beurteilen sie nur nach ihren Positionen zur Klimakrise. Es ist wirklich schwer Menschen aus allen politischen Richtungen in Polen zu erreichen. Wenn wir uns also nicht nur auf Klimafragen konzentrieren würden, hätten wir es schwer, Menschen zu finden, die uns außerhalb der linken Blase, die in unserem Land nicht groß ist, unterstützen würden. Und eine Klimakrise können wir nicht bekämpfen, ohne geeint zu sein.

Wo siehst du FFF Polen in einem Jahr? Wird es wieder jede Woche Demonstrationen geben?

Wir haben nie wöchentlich gestreikt; ich glaube dafür hatten wir nicht genügend Kapazitäten, auch wenn ich mir da nicht sicher bin. Da wir in letzter Zeit sehr gewachsen sind, hoffe ich jedoch, dass wir bald mit wöchentlichen Streiks beginnen können. Ich glaube in einem Jahr werden wir noch größer sein, und ich weiß nicht was, aber wir werden etwas Großes erreichen.

Letzte Frage: Siehst du die Corona Krise eher als Rückschlag oder als eine Chance für die Klimagerechtigkeitsbewegung?

Ich versuche sie als Chance zu sehen – wir befinden uns gerade jetzt in dem Moment, wo die Regierungen entscheiden müssen, wie sie zur „Normalität“ zurückkehren wollen und das ist die Chance ihnen zu zeigen, dass zurück zum Alten keine Option ist. Stattdessen braucht es eine nachhaltige und sichere Zukunft. Dies ist der perfekte Zeitpunkt damit anzufangen. Darum haben wir jetzt die Gelegenheit die Regierung mit soliden Argumenten und Forderungen unter Druck zu setzen.

Interview und Übersetzung: Maximilian Marraffa, Weiterdenken