Grundrechte und Rechtsstaat stehen zunehmend unter Beschuss – nicht nur von rechtsaußen. Politik steht im autoritären Sog. Eine Einführung und Begriffsklärung
Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers "Politik im autoritären Sog". Sie können das vollständige Dossier hier als PDF herunterladen.
Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) und andere Rechtspopulist/innen stellen demokratische Grundrechte in Frage, fordern immer wieder ein hartes Durchgreifen des Staates gegenüber Einzelnen und sind beteiligt an Fake News, Hetze und Ausgrenzung. Die politische Rechte verändert den Diskurs.
Heute sprechen daher viele von einem „Rechtsruck“. Aber geht der Rechtsruck einer Gesellschaft nur von einer Partei und von einer politischen Strömung aus?
Der Rechtsruck betrifft die ganze Gesellschaft, die politischen Institutionen, Medien und Parteien. Viele Politiker/innen bedienen sich rechtspopulistischer Sprache und Forderungen oder setzen Fake News in die Welt. Und es verändert sich mehr als der Diskurs.
Parlamente erlassen Gesetze und Regierungen treffen Verordnungen, die selbst rechtspopulistisch begründet sind oder die autoritär sind. Politik – klassische politische Institutionen – befindet sich in einem autoritären Sog.
Was heißt „autoritär“?
Autoritäre Regime sind Staaten ohne Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung, also Diktaturen. Das trifft auf die Bundesrepublik Deutschland nicht zu. Doch auch in Demokratien gibt es autoritäre Tendenzen.
Autoritäre Tendenzen in der Demokratie nennen wir in diesem Dossier
- wenn Politik den Bereich staatlicher Eingriffe und Staatsgewalt selbstzweckhaft ausdehnt
- wenn Politik Grundrechte einschränkt, aushöhlt oder abschafft
- wenn Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung unterlaufen werden
- wenn Gesetze Bürger/innen entmündigen oder pauschal als gefährlich betrachten.
Autoritäre Politik wird sehr oft rechtspopulistisch oder autoritär begründet
- mit immer größer werdenen Gefahren
- mit vermeintlichen Sachzwängen („alternativlos“)
- mit Law&Order-Ansätzen, also indem alle möglichen Themen als Probleme von Ordnung und Verwaltung gerahmt werden.
Was heißt „im Sog“?
Man nennt Staaten auch „illiberale Demokratien“, in denen die Regierung zwar gewählt wird, aber diese die Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit einschränkt. Die völkische Rechte arbeitet auf so eine Staatsform hin, "demokratisch in der Form, illiberal im Gehalt", schreibt der Publizist Micha Brumlik.
Für die völkische Bewegung ist Demokratie eine Volksherrschaft: Eine Regierung setzt den Willen des Volkes, der scheinbar eindeutig und unfehlbar ist, mit harter Hand um. Das zeigen zum Beispiel Analysen der Pegida-Bewegung. Minderheitenrechte und andere rechtsstaatliche Grenzen für die Staatsgewalt stören solche Vorstellungen nur.
Dieses Projekt der heutigen rechten Bewegungen ist ein fließendes. Demokratie wird nicht urplötzlich „von außen“ angegriffen und fällt. Demokratie kann sich unterschiedlich entwickeln: Hier kann für mehr Gleichberechtigung, Freiheit und Gerechtigkeit gestritten werden. Demokratie kann aber auch den autoritären Tendenzen folgen.
In diesem Sinn soll das Dossier „Politik im autoritären Sog“ auf die Gefahren für Grundrechte und Demokratie aufmerksam machen, die derzeit im Raum stehen. Es soll damit aber auch Bewusstsein schaffen, wie wichtig Grundrechte sind und warum alle sie verteidigen sollten.
Für autoritäre Gesetzesverschärfungen wie für rechtspopulistische Argumentationsweisen finden sich Beispiele in allen möglichen politischen Themenbereichen. Für unser Dossier blicken Expert/innen auf aktuelle politische Veränderungen in ihren Themenbereichen. Die Autor/innen
- zeigen Eingriffe in Grundrechte und Rechtsstaat und die Folgen
- erklären Ursachen, Anlässe und Begründungen
- ordnen die Entwicklungen ein. Zum Beispiel gehen sie der Frage nach, ob autoritäre Politik im Zusammenhang mit einem Rechtsruck der letzten Jahre steht – oder schon eine längere Geschichte hat.
Welche Themen beinhaltet das Dossier?
Demokratie hängt ab von Grundrechten und ihrer Verteidigung. Dieses Dossier soll mit einem Blick auf schleichende Einschränkungen von Menschen- und Bürgerrechten kritisches Bewusstsein und die öffentliche Debatte stärken.