MEETINGPOINT MUSIC MESSIAEN in Görlitz-Zgorzelec

Zentral auf der VIA REGIA, einer geistigen Schlagader Europas, liegt der polnischdeutsche Städtezwilling Zgorzelec-Görlitz, eingebettet in die Herzregion des Kontinents, in der drei Länder lernen, konzertiert zusammenzuleben: Polen-Tschechien-Deutschland.

Einer der Kristallisationskeime für diese kulturelle Ko-Evolution wurde von einem Franzosen geschaffen, dem Komponisten Olivier Messiaen (1908 - 1992), der mehr als siebzig Jahre seines Lebens in Paris studierte, arbeitete und wirkte. Etwa neun Monate seines kreativen Lebens verbrachte er an einem Arbeitsplatz, den nur die Geschichte erfinden kann: im Kriegsgefangenenlager StaLag VIIIa in Görlitz. Ausgerechnet dort, zu einer Zeit, als der deutsche Faschismus Geist und Leben des Abendlandes in seinem Würgegriff hielt, schuf Messiaen mit seinem QUATUOR POUR LA FIN DU TEMPS ein Werk, das über diese martialische Zeitenwende hinweg in Zukünftiges gerichtet war. Dieses Quartett hat nicht nur für sein Werk, sondern für die musikalische Entwicklung in Europa nach der bedingungslosen Kapitulation des deutschen Faschismus einschneidende Bedeutung.

Könnte es einen geeigneteren Ort geben, der Jugend des jetzt zusammenwachsenden Europas zu zeigen, welch unsichtbare, aber unüberwindliche, die Zeiten übergreifende Kraft die Musik hat, wie unbeugsam der Geist auch eine scheinbar ausweglose Finsternis zu durchschreiten vermag?

In Zgorzelec-Görlitz und Liberec leben jetzt etwa 400 000 Menschen, die mit allen Europäern auf dem Weg in eine Zukunft sind, in der nicht e i n e Nation dominiert – nein: das Konzert der Kulturen, ihre Vielfalt wird den Klang dieses Kontinents bestimmen. EUROPA IST MUSIK - mit diesem Leitmotiv bauen wir den MEETINGPOINT MUSIC MESSIAEN bewusst auf dem geschichtsträchtigen Terrain des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers, mit Ehrfurcht und Achtung vor den Menschen, die hier gelitten haben, bevor Europa sich auf den Weg zu sich machen und beginnen konnte, zusammenzuwachsen. Nach den Entwürfen des in Dresden lebenden irischen Architekten Ruairi O'Brien werden auf einer INSEL DES GEDENKENS ein Gedenkgebäude entstehen – und auf einer INSEL DER HOFFNUNG eine Theaterbaracke und ein Maison Olivier Messiaen, in denen die Jugendlichen und Künstler während ihres Aufenthaltes forschen, sich erinnern, ihre kreativen Kräfte entfalten, sich austauschen und leben können.

Im Jahr 2008 hatte Olivier Messiaen seinen 100. Geburtstag. Von diesem markanten Zeitpunkt an – mit diesem visionären Komponisten als Impulsgeber – treffen sich im MEETINGPOINT MUSIC MESSIAEN die Jugendlichen und Künstler Europas. Kompositionswettbewerbe, Lernwochen für Schulklassen aus ganz Europa, Instrumenten-Workshops, musikalische Aufführungen und multimediale Veranstaltungen lassen die Mitte der VIA REGIA wieder so pulsieren, dass Warszawa, Paris, Praha, Dresden, aber auch Helsinki oder Palermo diesen geistigen Herzschlag zu spüren bekommen und – dazu beitragen können, wie das gesamte künftige Europa.

Dr. Albrecht Goetze

 

Dr. Albrecht Goetze war einer der Gäste auf dem Podium am 20. Mai 2010 in der Synagoge Görlitz. Unter dem Titel «Meeting Point Messiaen und Synagoge - Gedenkstätten als Orte der Begegnung und der Kultur in Görlitz und Zgorzelec» diskutierten wir mit ihm Radoslaw Baranowski, Kulturbürgermeister Zgorzelec, Ruairí O´Brien, Architekt, Gewinner des Wettbewerbs für den Meetingpoint Music Messiaen Zgorzelec/Görlitz, Dr. Norbert Haase, Historiker und 1995 bis 2008 Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten und Dr. Markus Bauer, Förderkreis Görlitzer Synagoge über Erinnerungskultur und Relevanzen für die Gegenwart.

 Die Veranstaltung ist Teil einer Reihe in Kooperation mit dem Förderkreis Görlitzer Synagoge e.V.. Weiterdenken und der Förderkreis wollen damit gemeinsam einen Beitrag leisten, das Gebäude der ehemaligen Synagoge mit Rücksicht auf religiöse Bedürfnisse der Jüdinnen und Juden in Görlitz zu einem Ort der Begegnung und des Austausches über jüdische Geschichte, Religion und Kultur, aber auch zur politischen Kultur von Verständnis, Toleranz und Zivilcourage zu machen.

Am 23. August las Uwe von Seltmann aus Texten mit musikalischer Begleitung durch Alex Jacobowitz (Xylophon). Weitere Veranstaltungen folgen.